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3. Januar 2024Lesedauer 3 Minuten

Tariftreuegesetz auf Bundesebene

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Der aktuelle Koalitionsvertrag Mehr Fortschritt wagen bekennt sich zu dem Ziel, die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung (zu) stärken, damit faire Löhne in Deutschland bezahlt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, soll insbesondere die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden werden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erarbeiteten bereits vor geraumer Zeit einen Entwurf in gemeinsamer Federführung. Obwohl Bundesminister Heil angekünigt hatte, dass das Gesetz noch im Januar 2024 in Kraft treten soll, liegt bisher nur eine vorläufige Arbeitsfassung aus Mai 2023 vor.

In einzelnen Bundesländern sind schon vor etlichen Jahren die ersten Tariftreuegesetze verabschiedet worden. Auch auf Bundesebene hat es in der Vergangenheit Bestrebungen zur Schaffung von Tariftreueregelungen gegeben, die jedoch bisher vor allem an europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben scheiterten.

 

Tarifgeltung zur Steuerung des Arbeitsmarkts

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist wirtschaftlich gesehen von erheblicher Bedeutung. Zahlreiche Auftragnehmende, sprich Arbeitgeberinnen, und deren Mitarbeitende sind von öffentlichen Aufträgen abhängig. Die öffentlichen Vergabestellen geben jährlich schätzungsweise EUR 300 Milliarden für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus und haben damit ein enormes Einflusspotential auf den Arbeitsmarkt.

 

Geplantes Bundestariftreuegesetz und Kritik

Die vorläufige Arbeitsfassung sieht vor, dass von der Bundesrepublik vergebene Aufträge ab einem geschätzten Wert von EUR 10.000,00 erfasst werden sollen. Wird dieser Wert erreicht, sollen die Bedingungen des Flächentarifvertrages, der unter der Annahme einer Tarifbindung des beauftragten Unternehmens zur Geltung käme, umfassend für alle Mitarbeitenden, die im Rahmen des jeweiligen Auftrags zum Einsatz kommen, gelten. Einzelne Branchen, wie zum Beispiel der Bereich der Rechtsberatung, sind ausgenommen. Unternehmen müssen sich mit der Beauftragung zu einer entsprechenden Bindung (auch etwaig eingesetzter Nachunternehmer) verpflichten und deren Einhaltung nachweisen. Verstöße sollen sanktioniert werden.

Gegen die vorläufige Arbeitsfassung werden wiederum europa- und verfassungsrechtliche Bedenken geäußert: Durch die angedachten Regelungen würde ein faktischer Tarifzwang geschaffen, der einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit darstelle. Auch ist abzusehen, dass die geplanten Regelungen für Unternehmen einen hohen bürokratischen Aufwand durch im Detail noch nicht absehbare Nachweispflichten nach sich ziehen werden. Zudem bleibt angesichts der widersprüchlichen und lückenhaften Datenlage zur bestehenden Tarifbindung durchaus abzuwarten, welchen Mehrwert ein solches Tariftreuegesetz auf Bundesebene bieten kann.

 

Folgen für die Praxis

Durch das neue Gesetz sollen Tarifverträge breiter gefächert zur Anwendung kommen, indem bei der Wahrnehmung der zahlreichen und umfangreichen zu vergebenden öffentlichen Aufträge die Unternehmen die einschlägigen Tarifregelungen einzuhalten haben. Wann das Gesetz in Kraft treten wird, ist trotz der genannten Ankündigung für Januar 2024 noch nicht absehbar. Angesichts des zu erwartenden bürokratischen Aufwands ist Unternehmen, die auch zukünftig an öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen möchten, bereits jetzt zu raten, sich mit den entsprechenden Tarifverträgen vertraut zu machen.