Update zum Tariftreuegesetz auf Bundesebene
Der aktuelle Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen” bekennt sich zu dem Ziel, “die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung (zu) stärken, damit faire Löhne in Deutschland bezahlt werden”. Um dieses Ziel zu erreichen, soll insbesondere “die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden” werden.
Bundesarbeitsminister Heil hatte angekündigt, dass ein entsprechendes Gesetz noch im Januar 2024 in Kraft treten soll (lesen Sie unseren Blogbeitrag hier). Im September 2024 wurde ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bekannt. Mittlerweile liegt ein zweiter Referentenentwurf der beiden Ministerien vor.
Wesentliche Eckpunkte der Regelung zum Bundestariftreuegesetz (BTTG)
Der Referentenentwurf sieht vor, dass Aufträge von einem Bundesauftraggeber1 ab einem geschätzten Auftrags- oder Vertragswert von EUR 25.000,00 ohne Umsatzsteuer erfasst werden sollen. Einzelne Branchen, wie zum Beispiel der Bereich der Rechtsberatung, sind weiterhin vom Anwendungsbereich ausgenommen. Wird der Wert erreicht, soll Voraussetzung für die Auftragserteilung ein Tariftreueversprechen sein. Durch dieses verpflichten sich die Auftragnehmer, die vom BMAS auf Antrag einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbandes durch Rechtsverordnung (§ 5 BTTG-E) festgelegten tariflichen Arbeitsbedingungen für die Dauer der Leistungserbringung als Mindestbedingungen einzuhalten. Zum anderen müssen die Auftragnehmer sicherstellen, dass die Vorgaben auch von eventuell beauftragten Nachunternehmern und Verleihern eingehalten werden. Nach dem Referentenentwurf sind die Auftragnehmer, etwaige beauftragte Nachunternehmer oder beauftragte Verleiher dazu verpflichtet, die Einhaltung des Tariftreueversprechens mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Solche geeigneten Unterlagen sollen zum Beispiel Lohnabrechnungen, Zahlungsbelege, Arbeitsverträge und Arbeitszeitaufzeichnungen sein. Dies gilt nach dem Referentenentwurf nicht, wenn ein Zertifikat einer Präqualifizierungsstelle nach § 10 BTTG-E für das Unternehmen erteilt wurde.
Das BTTG-E sieht ein dreigliedriges Sanktionssystem vor: Die Implementierung einer zivilrechtlichen Vertragsstrafe (§ 11 BTTG-E), die Haftung des Auftragnehmers für Verstöße eines Nachunternehmers (§ 12 BTTG-E) und der Ausschluss von allen Vergabeverfahren (§ 14 BTTG-E). In Zukunft sollen auch erhebliche Verstöße gegen die Tariftreuepflichten im Wettbewerbsregistergesetz eintragungsfähig sein, damit andere Auftraggeber von den Tariftreueverstößen erfahren können.
Gegen die aktuelle Fassung des Referentenentwurfs werden weiterhin europa- und verfassungsrechtliche Bedenken geäußert: Durch die angedachten Regelungen würde ein faktischer Tarifzwang geschaffen, der einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit darstelle. Klarheit besteht jedoch nunmehr dahingehend, dass das BTTG-E nur solche Branchen erfassen kann, in denen auch Tarifverträge bestehen.
Folgen für die Praxis
Ob und wann die geplanten Neuerungen in Kraft treten, ist noch unklar. Unternehmen, die sich weiterhin an Vergabeverfahren des Bundes beteiligen wollen, sind angesichts der vorgesehenen massiven Sanktionen gut beraten, sich mit den einschlägigen Tarifverträgen, dem Rechtsverordnungsverfahren, den Anforderungen an die Dokumentationspflichten und dem Präqualifikationsverfahren rechtzeitig vertraut zu machen.
1Der Anwendungsbereich ist weiter als die öffentliche Auftragsvergabe durch die Bundesrepublik. In der Gesetzesbegründung (unter § 2 Abs. 1) heißt es zu diesem Begriff: „Der Begriff des Bundesauftraggebers wird unter Verweis auf den in § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen normierten Auftraggeberbegriff definiert. Auftraggeber in diesem Sinne sind die in den §§ 99, 100, 101 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen näher beschriebenen öffentlichen Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber.“