Die Einführung der E-Rechnungspflicht in Deutschland rückt näher
BMF-Schreiben klärt offene FragenDie „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“-Initiative (auf Englisch „VAT in the digital age“; im Folgenden ViDA) der Europäischen Kommission beinhaltet auch die Pflicht zur E-Rechnungstellung. Durch E-Rechnungen soll zu einem späteren Zeitpunkt zeitgleich ein elektronisches Meldesystem gespeist werden, welches über dieses Real-Time-Reporting zur Verhinderung von Umsatzsteuerbetrug beitragen soll. Die Einführung von ViDA wurden wiederholt verschoben. Kürzlich einigte sich der Rat auf die Umsetzung und den 1. Juli 2030 als Startzeitpunkt. Nichtsdestotrotz hat sich Deutschland, wie auch andere Mitgliedstaaten, zum Ziel gesetzt, die E-Rechnungspflicht bereits früher einzuführen. Erstmals kursierte im April 2023 ein Entwurf des Bundeministeriums der Finanzen (BMF) zu diesem Thema. Im Zuge der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes wurden schließlich die Regelungen zur E-Rechnungspflicht kodifiziert. Den Stand der Diskussionen und des Gesetzgebungsverfahrens haben wir in vorherigen Beiträgen jeweils kommentiert (Mandatory e-invoicing for domestic B2B transactions in Germany as of 1 January 2025, The upcoming Growth Opportunities Act and VAT, Update: The Growth Opportunities Act and VAT).
Nun hat das BMF ein neues Schreiben veröffentlicht, welches letzte offene Fragen zur kommenden E-Rechnungspflicht klären soll.
Key Takeaways
- Zum 1. Januar 2025 führt Deutschland eine Pflicht zum Empfang von E-Rechnungen für B2B-Umsätze zwischen inländischen Unternehmen ein.
- In Deutschland können insbesondere die Formate XRechnung und ZUGFerD ab Version 2.0.1. genutzt werden.
- Bezüglich der Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen gelten verschiedene Übergangsregelungen. Die Fähigkeit zum Empfang von E-Rechnungen muss jedoch zum 1. Januar bei allen inländischen Unternehmen vorhanden sein.
- Sonstige Rechnungen können Probleme im Bereich des Vorsteuerabzuges verursachen, daher sollten schon ab 2025 Regelungen zur Ausstellung von E-Rechnungen getroffen werden.
- Unternehmen sollten umgehend handeln, um die elektronische Rechnungsstellung zu ermöglichen und sie in ihre aktuellen Systeme zu integrieren oder diese zu aktualisieren.
Der Begriff der elektronischen Rechnung
Zum 1. Januar 2025 wird der Begriff der elektronischen Rechnung im Umsatzsteuergesetz (UStG) neu definiert. Nach dem neu gefassten § 14 Abs. 1 S. 3 UStG liegt eine elektronische Rechnung dann vor, wenn die Rechnung in einem strukturierten Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Das Format der E-Rechnung kann grundsätzlich zwischen Rechnungsausteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden. Dabei muss das Format allerdings entweder der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU entsprechen (Normenreihe EN 16931) oder das verwendete Format muss die richtige und vollständige Extraktion der nach dem UStG erforderlichen Angaben aus der E-Rechnung in ein Format ermöglichen, das der Normenreihe EN 16931 entspricht oder mit dieser interoperabel ist. Interoperabel bedeutet, dass die umsatzsteuerrechtlich geforderten Informationen aus dem ursprünglich verwendeten E-Rechnungsformat ohne Informationsverlust weiterverarbeitet werden können.
In Deutschland wären solche Formate insbesondere die XRechnung oder die ZUGFerD-Rechnung ab Version 2.0.1. Das BMF hat jedoch auch klargestellt, dass Rechnungsformate aus anderen Ländern, welche den Voraussetzungen der Normenreihe EN 16931 genügen, ebenfalls zulässig sind. Als Beispiel nennt es das französische Factur-X-Format.
E-Rechnungen können zudem in einem hybriden Format ausgestellt werden. Ein solches hybrides Format besteht neben dem strukturierten Datenteil auch aus einem für das menschliche Auge lesbaren Datenteil. Dabei müssen beide Datenteile in einer Datei zusammengefasst sein. Ein Beispiel hierfür ist das oben genannte ZUGFerD-Format.
Von der E-Rechnung unterschieden wird zukünftig die sonstige Rechnung. Dabei handelt es sich um Rechnungen in Papierform oder in anderen elektronischen Formaten, die nicht obigen Anforderungen entsprechen. Sonstige Rechnungen sind zum Beispiel alle nicht strukturierten elektronischen Dateien, zum Beispiel PDF-Dateien ohne integrierte Datensätze, Bilddateien oder E-Mails.
Verpflichtung zur Ausstellung von elektronischen Rechnungen
Der E-Rechnungspflicht unterfallen steuerbare Leistungen zwischen Unternehmern, sofern diese Leistung in Deutschland steuerbar ist und beide Unternehmer in Deutschland ansässig sind. Die Ansässigkeit soll durch den Sitz, die Geschäftsleitung oder eine am betreffenden Umsatz beteiligte Betreibstätte begründet werden. Hilfsweise kann auf einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt werden. Die bloße umsatzsteuerliche Registrierung eines Unternehmers in Deutschland ohne Ansässigkeit soll hingegen nicht zur E-Rechnungsverpflichtung führen.
Entfällt die Steuerbarkeit nach § 4 Nr. 1 bis 7 UStG, liegen die übrigen Voraussetzungen aber vor, ist ebenfalls eine E-Rechnung auszustellen.
Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Ausstellung von E-Rechnungen besteht für Kleinbetragsrechnungen (Gesamtbetrag 250 € oder weniger), Fahrausweise und Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG.
Wird ein Umsatz sowohl für den unternehmerischen als auch für den nichtunternehmerischen Bereich, z. B. den nichtwirtschaftlichen Bereich einer juristischen Person, ausgeführt, geht die Verpflichtung zur Ausstellung einer E-Rechnung vor.
Folglich sind Umsätze an private Endverbraucher (B2C) nicht von der E-Rechnungspflicht betroffen. Besteht keine E-Rechnungspflicht, ist die Ausstellung einer sonstigen Rechnung zulässig.
Zeitplan für die Einführung der E-Rechnungspflicht
Die grundsätzliche Verpflichtung inländischer Unternehmer zum Empfangen von E-Rechnungen besteht ab dem 1. Januar 2025.
Für das Ausstellen der E-Rechnungen hat der Gesetzgeber für die Jahre 2025 bis 2027 mehrere Übergangsregelungen vorgesehen:
- Bis Ende 2026: Ausstellung einer Rechnung als sonstige Rechnung
- Bis Ende 2027: Ausstellung als sonstige Rechnung möglich, wenn Vorjahres-Gesamtumsatz 800.000 EUR oder weniger
- Bei Umsatzausführung nach dem 31. Dezember 2026 und bis zum Ablauf des Jahres 2027
- Bei Organschaft: Umsatz des Organkreises
- Bis Ende 2027: Übermittelung mittels elektronischem Datenaustausch bei Einverständnis des Empfängers
So kann bis Ende des Jahres 2026 eine Rechnung generell auch noch als sonstige Rechnung ausgestellt werden.
Bis Ende des Jahres 2027 können Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Vorjahr nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat, eine Rechnung auch noch als sonstige Rechnung ausstellen. Ist der Empfänger damit einverstanden, kann bis Ende des Jahres 2027 auch mittels elektronischen Datenaustausches (EDI) übermittelt werden.
Ab 2028 sind E-Rechnungen zwingend in allen oben beschriebenen inländischen B2B-Umsätzen auszustellen.
Unabhängig von den voranstehenden Übergangsregelungen sind Unternehmen bereits ab dem 1. Januar 2025 zum Empfang von E-Rechnungen verpflichtet. Dies gilt auch für solche Unternehmen, welche Umsätze ausschließlich an Privatkunden ausführen oder als Kleinunternehmer Rechnungen ohne Umsatzsteuer ausführen. Hintergrund dafür ist, dass Lieferanten solcher Unternehmen E-Rechnungen ausstellen können.
Übermittlung und Aufbewahrung elektronischer Rechnungen
Das Gesetz enthält zur Art der Übermittlung keine Regelung. Im jüngsten BMF-Schreiben werden jedoch verschiedene Möglichkeiten dargelegt. So können E-Rechnungen etwa per E-Mail, über eine elektronische Schnittstelle oder durch Zugriff auf einen zentralen Speicherort oder per Download über das Internet übertragen werden. Für die Empfangsmöglichkeit von E-Rechnungen wird als ausreichend angesehen, dass der Unternehmer ein E-Mail-Postfach zur Verfügung stellt. Dabei muss es sich nicht um ein gesondertes E-Mailpostfach nur für den Rechnungsempfang handeln, sondern es ist die Nutzung eines bereits vorhandenen E-Mail-Postfachs möglich. Der Übermittlungsweg ist, ebenso wie das konkrete Format der E-Rechnung, zivilrechtlich zwischen den Vertragsparteien zu vereinbaren.
Der strukturierte Teil einer E-Rechnung ist so aufzubewahren, dass dieser in seiner ursprünglichen Form vorliegt und die Anforderungen an die Unveränderbarkeit erfüllt werden. Eine maschinelle Auswertbarkeit seitens der Finanzverwaltung muss sichergestellt sein.
E-Rechnung und Vorsteuerabzug
Zur Ausübung des Vorsteuerabzuges ist eine ordnungsmäßige Rechnung erforderlich. Wird, trotz bestehender Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung, bloß eine sonstige Rechnung ausgestellt, handelt es sich hierbei nicht um eine ordnungsgemäße Rechnung. Diese berechtigt dem Grunde nach nicht zum Vorsteuerabzug. Eine Berichtigung durch nachträgliches Ausstellen einer E-Rechnung ist jedoch möglich. Die E-Rechnung muss durch eine spezifische und eindeutige Bezugnahme auf die ursprüngliche Rechnung zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine berichtigte Rechnung handelt.
Erfolgt die Berichtigung der fälschlicherweise als sonstige Rechnung ausgestellten Rechnung nicht, kann die sonstige Rechnung als objektiver Nachweis bezüglich des Vorsteuerabzugs dienen. Das BMF stellt in dem zuletzt veröffentlichten Schreiben fest, dass sich mithilfe einer inhaltlich richtigen und vollständigen sonstigen Rechnung regelmäßig die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nachweisen lassen. Darüber hinaus soll die Ausstellung einer sonstigen Rechnung in diesem Zusammenhang nicht schädlich sein, wenn der Rechnungsempfänger davon ausgehen konnte, dass der Rechnungsaussteller die oben beschriebenen Übergangsregelungen in Anspruch nehmen durfte.
Um Unsicherheiten im Bereich des Vorsteuerabzugs zu vermeiden, ist es als Rechnungsempfänger ratsam, die Zustellung einer E-Rechnung zu vereinbaren.
Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung.