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20. Dezember 2024Lesedauer 11 Minuten

Neue Entwicklungen bei der Stromversorgung von Rechenzentren – Kapazitätsvergabe, Baukostenzuschüsse und drohende Netzbetreiberpflichten

Ein Stromnetzanschluss mit ausreichend dimensionierter Kapazität ist Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Rechenzentrums. Die damit verbundenen Kosten stellen regelmäßig einen erheblichen Teil der Gesamtinvestition eines Projekts dar. Neben der häufig faktischen Knappheit von verfügbarer Netzkapazität sind bei der Projektplanung die für den Stromnetzanschluss maßgeblichen regulatorischen Rahmenbedingungen zu beachten. Bei diesen gibt es derzeit gleich mehrere Entwicklungen, die Projektentwickler und Betreiber von Rechenzentren dringend im Auge behalten sollten. Sie betreffen die Vergabe von Netzanschlusskapazität (hierzu unter I.), die Berechnung von Baukostenzuschüssen (hierzu unter II.), und einen möglichen Entfall bestimmter Regulierungsfreistellungen (hierzu unter III.).1

Abkehr vom „Windhund-Prinzip“ – Neue Verfahren für Vergabe von Netzanschlusskapazität

Netzanschlussanfragen von Rechenzentrumsbetreibern mehren sich insbesondere in Ballungsräumen. Wie unsere jüngste Marktstudie zeigt, ist das Interesse an der Errichtung neuer Rechenzentren ungebrochen. Die verfügbaren Netzkapazitäten sind jedoch auch aufgrund der steigenden Nachfrage nach elektrischer Leistung für Großwärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure und der Zunahme der Elektrifizierung der Mobilität knapp; gleichzeitig kommt der erforderliche Netzausbau in Deutschland nur schleppend voran. Allein für die Stadt Berlin belaufen sich die eingereichten Netzanschlussanfragen auf eine summierte Anschlussleistung von 2,8 Gigawatt – mehr als die gesamte aktuelle Netzkapazität in Berlin. Diesem Problem begegnen erste Netzbetreiber und nun auch die Bundesnetzagentur durch die Entwicklung und Einführung neuer Verfahren zur Verteilung von Netzanschlusskapazität.

Die Netzanschlussverpflichtung von Netzbetreibern ist in Deutschland gesetzlich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt. Gemäß § 17 EnWG muss ein zuständiger Netzbetreiber anschlussbegehrende Letztverbraucher (und hierzu gehören auch Betreiber von Rechenzentren) zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen an sein Netz anschließen, die angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sind. Der Netzbetreiber kann den Netzanschluss jedoch verweigern, soweit ihm die Gewährung aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Allerdings ist neben diesen allgemeinen Anforderungen das konkret anzuwendende Verfahren für die Zuordnung freier Netzkapazität nicht detailliert geregelt, sondern vom jeweiligen Netzbetreiber festzulegen.

Bisherige Praxis der Netzbetreiber

Netzbetreiber weisen verfügbare Netzkapazitäten bislang regelmäßig nach dem sogenannten „Windhund-Prinzip" bzw. „first come, first serve”-Verfahren zu – also nach der zeitlichen Reihenfolge der Stellung des Netzanschlussbegehrens. In diesem Jahr haben jedoch Netzbetreiber wie Stromnetz Berlin und NetzDienste RheinMain neue Verfahren für die Verteilung von Anschlusskapazität für Großprojekte eingeführt, um dem wachsenden Kapazitätsbedarf zu begegnen.

Stromnetz Berlin hat ein neues, jährlich stattfindendes sog. Repartierungsverfahren für die Zuteilung von Netzkapazitäten veröffentlicht, das rückwirkend ab dem 01. Januar 2024 angewendet wird. Das Verfahren soll die gleichberechtigte Verteilung begrenzter Netzkapazitäten in der Mittel- und Hochspannungsebene sicherstellen und gilt für Anschlussanfragen mit einem Leistungsbedarf ab 3,5 Megavoltampere (MVA). Die Netzkapazitäten werden dabei den Anschlusspetenten grundsätzlich zu gleichen Teilen (pro Kopf) zugeteilt. Hierzu hat die Stromnetz Berlin Rechenbeispiele veröffentlicht: Hat ein Netzgebiet beispielsweise 120 MVA verfügbare Leistungskapazität und stellen fünf Petenten Anfragen nach 5 MVA, 10 MVA, 100 MVA, 80 MVA bzw. 65 MVA, insgesamt also 260 MVA, so entfallen auf jeden Petenten nach dem Repartierungsverfahren grundsätzlich 24 MVA (120 MVA: 5 Petenten). Da zwei Petenten geringere Leistungsanfragen (5 MVA bzw. 10 MVA) gestellt haben, werden die auf sie entfallenen jeweiligen 24 MVA nur in der beantragten Höhe von 5 bzw. 10 MVA zugewiesen und die darüberhinausgehenden Kapazitäten bis 24 MVA wieder gleichmäßig unter den übrigen Petenten verteilt. Dieser Mechanismus wird entsprechend wiederholt, bis die verfügbare Kapazität verteilt ist. Um an dem Verfahren teilzunehmen, sind verschiedene Fristen zu beachten.

Auch die NetzDienste RheinMain vergeben Anschlusskapazitäten ab 10 Megawatt (MW) nun temporär im Repartierungsverfahren, verfolgen dabei jedoch offenbar einen „pro rata“-Ansatz, bei dem die Kapazität anteilig (prozentual) nach der Größe der jeweils angefragten Netzanschlusskapazität verteilt wird.

Konsultationsverfahren der Bundesnetzagentur

Nachdem erste Netzbetreiber eigene Zuteilungsverfahren entwickelt und eingeführt haben, sieht sich nun auch die Bundesnetzagentur veranlasst, einen Vorschlag für einen geeigneten Verteilungsmechanismus von Netzanschlusskapazität mit dem Markt zu konsultieren. Marktteilnehmer sind eingeladen, bis zum 31. Dezember 2024 eine Stellungnahme zu dem am 7. November 2024 veröffentlichten Verfahren zur Zuteilung von Entnahmeleistungen aus Netzebenen oberhalb der Niederspannung zu unterbreiten. Zielsetzung der Bundesnetzagentur ist, nach Abschluss der Konsultation ein Positionspapier im Sinne einer Handlungsempfehlung an die Netzbetreiber zu veröffentlichen.

In ihrem Verfahrensvorschlag stellt die Bundesnetzagentur weitere theoretisch denkbare Verfahrensmechanismen, wie ein Versteigerungsverfahren, ein Stufenmodell und ein „first ready, first served“-Modell dar, spricht sich letztlich jedoch für das Repartierungsverfahren auf Basis eines „pro Kopf“-Ansatzes aus. Gerade gegenüber dem Windhund-Prinzip bestünden Vorteile, da Zufälligkeiten aufgrund des Anknüpfens an den Zeitpunkt der Abgabe von Anschlussanfragen verhindert würden und deutlich mehr Petenten berücksichtigt werden könnten. Schließlich könne beim Windhund-Prinzip ein einziger Petent durch seine Leistungsanfrage nicht nur die gesamte derzeit, sondern auch die in absehbarer Zukunft zur Verfügung stehende Netzanschlusskapazität eines Netzbetreibers in Anspruch nehmen.

Neben dem Verteilungsmechanismus als solchen spricht sich die Bundesnetzagentur auch dafür aus, die Teilnahmebedingungen für entsprechende Verfahren zu konkretisieren. Insbesondere solle hierfür eine gewisse Projektreife nachgewiesen werden. Der Petent müsse für die Teilnahme zumindest nachweisen, dass (i) er durch den Erwerb dinglicher Rechte oder langfristiger schuldrechtlicher Ansprüche die Nutzungsrechte an den für das Netzanschlussvorhaben benötigten Grundstücken hält, und (ii) die vollständige Beantragung der für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen erfolgt ist. Die Netzanschlusskapazität soll dabei zudem an das aus dem Bauantrag hervorgehende Vorhaben bzw. den „Use Case“ gebunden werden; ein nachträglicher Projektaustausch soll zum Ausschluss aus dem Verfahren führen. Für das neue Projekt müsste eine neue Kapazitätsanfrage gestellt werden. Unklar bleibt in dem Zusammenhang bisher, bis zu welchem Maße etwaige nachträgliche Anpassungen des Bauvorhabens für die Kapazitätszuweisung unproblematisch sind.

Bewertung des Regulierungsansatzes

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass sich die Bundesnetzagentur der Problematik angenommen hat und durch neue Zuteilungsverfahren Netzanschlusskapazitäten fairer aufteilen will.

Allerdings dürfte es bei der Umsetzung des Repartierungsverfahrens gerade für Großprojekte mit einem Kapazitätsbedarf von häufig über 100 MVA schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, werden, die für die Umsetzung des Vorhabens erforderlichen Gesamtkapazitäten zu erhalten.

Mit den diskutierten Teilnahmevoraussetzungen nimmt die Bundesnetzagentur mit Blick auf die Kapazitätsknappheit und im Sinne der Realisierungswahrscheinlichkeit in Kauf, dass sowohl der Erwerb von Grundstücken bzw. Grundstücksnutzungsrechten als auch der Bauantrag Investitions- und Planungskosten seitens des Petenten beinhaltet – obwohl zu diesem Zeitpunkt die Zuteilung der benötigten Netzkapazitäten noch völlig offen ist. Dies dürfte regelmäßig eine erhebliche Hürde für Projektentwickler und zukünftige Betreiber von Rechenzentren darstellen. Zugleich werden die vorgeschlagenen Teilnahmevoraussetzungen und insbesondere die vorgesehene Bindung der Netzanschlusskapazität an den Bauantrag „powered land“-Verkäufe erheblich erschweren und Änderungen an den bisher üblichen Vertragsmechanismen erfordern.

Ob angesichts der von großen Marktteilnehmern angekündigten Milliardeninvestitionen in Deutschland die Abwälzung solcher Risiken auf Landverkäufer, Projektentwickler und Betreiber von Rechenzentren politisch opportun ist, bleibt abzuwarten. Sinnvoll ist aber der Ansatz der Bundesnetzagentur, Spekulationen und der damit einhergehenden Bindung von knapper Netzanschlusskapazität entgegenzuwirken.

Entwickler und zukünftige Betreiber von Rechenzentren sollten jedenfalls die regulatorischen Entwicklungen verfolgen und sich gleichzeitig bei der Standortwahl für ihr Projekt frühzeitig mit dem jeweiligen Verfahren zur Vergabe der benötigten Anschlusskapazität vertraut machen, sowie etwaige Fristen und die absehbaren Verzögerungen in die Projektplanung einbeziehen.

 

Positionspapier der Bundesnetzagentur zu Baukostenzuschüssen für Netzanschlüsse oberhalb der Niederspannung

Neben den zuvor beschriebenen Aktivitäten bzgl. der Gestaltung von Kapazitätszuteilungsverfahren hat die Bundesnetzagentur am 20. November 2024 ein aktualisiertes Positionspapier zur Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) für Netzanschlüsse im Bereich von Netzebenen oberhalb der Niederspannung veröffentlicht, das für Berechnungen von BKZ jedenfalls ab dem Jahr 2026 Orientierung bieten soll. Das Positionspapier soll einen bewussten und sparsamen Umgang mit Anschlusskapazitäten fördern, indem Anschlussnehmer stärker an den Ausbaukosten beteiligt werden.

BKZ werden vom Netzbetreiber als einmalige Aufwendungen für den Ausbau des vorgelagerten Netzes oder für eine Kapazitätserhöhung eines Netzanschlusses vom Anschlussnehmer erhoben und sind für den Bereich der Niederspannung ausdrücklich in § 11 der Niederspannungsanschlussverordnung geregelt. Die Erhebung von BKZ ist jedoch auch in Spannungsebenen oberhalb der Niederspannung üblich, sowie rechtlich anerkannt. Die konkrete Art und Weise der Berechnung von BKZ ist gesetzlich nicht im Detail geregelt, jedoch orientierten sich die meisten Netzbetreiber an einem von der Bundesnetzagentur 2009 veröffentlichten Positionspapier, in dem das sogenannte Leistungspreismodell beschrieben war. Aus Sicht der Bundesnetzagentur genügte das Modell gesetzlichen Transparenzanforderungen und entfaltete eine sachgerechte Steuerungswirkung, um das Entstehen überdimensionierter und ineffizienter Netze zu verhindern.

Modifiziertes Leistungspreismodell mit gestufter BKZ-Erhebung

Das in dem früheren Positionspapier beschriebene Leistungspreismodell hat die Bundesnetzagentur nun im Grundsatz auch in das neue Positionspapier übernommen. Allerdings soll für die Berechnung anstelle des bisher jeweils bei Vertragsschluss geltenden, veröffentlichten Leistungspreises der durchschnittliche Leistungspreis über die letzten fünf Jahre herangezogen werden. Die Auswirkungen von stark schwankenden Leistungspreisen sollen so abgemildert werden.

Auch der Grundsatz, dass ein Netzbetreiber in seinem Netzgebiet einheitliche BKZ für Anschlüsse gleicher Art und Güte zu erheben hat, findet sich in dem neuen Positionspapier. Neu und interessant ist der Ansatz der Bundesnetzagentur, von diesem Grundsatz auf der Übertragungsnetzebene eine Ausnahme zu ermöglichen. Eine Differenzierung des BKZ auf Übertragungsnetzebene könne mit Blick auf die Auswirkungen des zusätzlichen Netzanschlusses auf das Netz (bspw. für das Netzengpassmanagement und Redispatch) sachgerecht sein. Dabei könnten fünf gleichmäßige Stufen von 20 % bis 100 % des Leistungspreises eine geeignete Differenzierung bieten. Die Einstufung solle danach erfolgen, wie vorteilhaft die Ansiedlung eines Anschlussnehmers am jeweiligen Standort für das Gesamtsystem wäre. BKZ von 0 Euro sollten aufgrund einer fehlenden Steuerungswirkung jedoch in jedem Fall vermieden werden.

Für Anschlussnehmer kann dies bedeuten, dass BKZ für Anschlussbegehren, die aus Sicht der Übertragungsnetzbetreiber vorteilhaft für das Gesamtsystem sind, tatsächlich günstiger werden. Die Bundesnetzagentur hat in einer veröffentlichten Karte bereits vorläufig skizziert, an welchen Netzknotenpunkten des Übertragungsnetzes in Deutschland BKZ zukünftig in welcher Stufe erhoben werden könnten. Auffällig (jedoch erwartbar) ist, dass gerade in den Rechenzentrums-Ballungsgebieten Berlin und Frankfurt nach der vorläufigen Berechnung BKZ mit 100 % des Leistungspreises veranschlagt sind und mit einer Vergünstigung nach dem neuen Positionspapier in diesen Gebieten daher gerade nicht zu rechnen ist. Geringere BKZ könnten sich in erster Linie in Norddeutschland ergeben.

Standortentscheidung auch an BKZ orientieren

Wenngleich das aktualisierte Positionspapier nicht rechtlich bindend ist, so dient es, wie seine Vorgängerversion, als Orientierung für den Markt und bildet die Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur ab. Netzbetreiber und auch Anschlusspetenten können es zur Beurteilung, unter welchen Bedingungen differenzierte BKZ als zulässig angesehen werden, heranziehen. Entwickler von Rechenzentren sollten insoweit die Entwicklungen um die Differenzierung von BKZ auf Übertragungsnetzebene und die Auswirkungen auf den Standort ihrer Projekte beobachten. Abhängig von der Standortwahl können die BKZ den Kostenblock für den Netzanschluss von Rechenzentren zukünftig massiv erhöhen, in Einzelfällen bzw. bei Flexibilität bei der Standortwahl kann sich jedoch durchaus auch ein nicht unbeachtliches Einsparpotenzial ergeben.

 

EuGH zu Regulierungsausnahmen für „Kundenanlagen“ nach dem EnWG

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat sich in einem Urteil vom 28. November 2024 (Rechtssache C-293/23) mit der Frage beschäftigt, ob die im deutschen Energieregulierungsrecht vorgesehenen Regulierungsfreistellungen für sogenannte Kundenanlagen, also bestimmte Anlagen zur Abgabe von Energie gemäß § 3 Nr. 24a EnWG, mit den europarechtlichen Bestimmungen der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/944) zu „Verteilernetzen“ vereinbar sind. Im Kern ging es in dem Fall um die Frage, ob eine Stromversorgungsinfrastruktur zur Versorgung von ca. 200 Wohneinheiten, die ein auf dezentrale Energieversorgung spezialisiertes Unternehmen betreibt, als „Verteilernetz“ im Sinne der Richtlinie gilt. Dann nämlich wäre die Anwendung der deutschen Regelungen über die Kundenanlage nach dem EnWG – einschließlich der Regulierungsfreistellungen für deren Betreiber – mit der Richtlinie schon nicht vereinbar.

Ausnahme von Regulierung für deutsche „Kundenanlage“ nicht richtlinienkonform

Der EuGH entschied, dass die betriebenen Anlagen unter die Definition eines „Verteilernetzes“ im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie fallen, deren Betreibern die Richtlinie bestimmte regulatorische Pflichten auferlegt. Der Gerichtshof betonte dabei unter Verweis auf vorherige Rechtsprechung (insbesondere Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2019, Elektrorazpredelenie Yug, Rechtssache C‑31/18), dass die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie für die Einordnung eines Netzes als „Verteilernetz“ ausschließlich zwei Kriterien heranziehe: Das Netz müsse der Weiterleitung von Elektrizität in Hoch‑, Mittel- oder Niederspannung dienen und diese Elektrizität müsse zum Verkauf an Großhändler bzw. Endkunden bestimmt sein. Nationale Regelungen dürften keine zusätzlichen Kriterien bestimmen, nach denen sich die Einordnung einer Energieanlage als „Verteilernetz“ richtet.

Diese Rechtsprechung führte der EuGH nun mit Blick auf den Begriff des „Verteilernetzbetreibers“ im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarkrichtlinie fort und stellte klar: Mitgliedstaatliche Regelungen, die Ausnahmen von den Pflichten für „Verteilernetzbetreiber“ nach der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorsehen, sind nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien aber vorliegend nicht gegeben.

Auswirkungen für Betreiber von Strominfrastruktur

Zwar bezog sich die Entscheidung ausdrücklich nur auf die Regelungen zur Kundenanlage nach § 24a EnWG und nicht auf die für Gewerbe- und Industrieunternehmen wohl relevantere sogenannte Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung nach § 24b EnWG. Die Erwägungen des EuGH dürften jedoch auch auf Letztere übertragbar sein und es ist davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber die Regelungen zu Kundenanlagen insgesamt prüfen und anpassen wird.

Insbesondere Betreiber von Strominfrastruktur auf einem Rechenzentrums-Campus, über die mehrere Rechenzentren versorgt werden, sollten die regulatorischen Auswirkungen prüfen, die Reaktion des deutschen Gesetzgebers beobachten und Handlungsoptionen abwägen. Sofern ihre Systeme die von dem EuGH genannten Kriterien erfüllen, könnten sie als Verteilernetze gelten, mit der Folge, dass ihr Betrieb diversen energieregulatorischen Pflichten unterläge. Die Betreiber wären z.B. verpflichtet, Netzanschluss und -zugang zu gewähren, unterlägen Netzentgeltregulierung sowie Genehmigungspflicht und müssten Publikationspflichten nachkommen. Eine Missachtung regulatorischer Pflichten kann bußgeldbewährt sein und zum Einschreiten der zuständigen Regulierungsbehörde führen.

Inwiefern eine Einordnung als „geschlossenes Verteilernetz“ im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie bzw. § 110 EnWG eine Möglichkeit darstellt, den regulatorischen Pflichtenkatalog zu reduzieren, muss für jeden Einzelfall untersucht werden. Dies würde aber jedenfalls eine behördliche Feststellung mit entsprechendem Verfahren erfordern. Zu prüfen wäre auch, inwieweit die Übertragung der Betreiberpflichten auf einen Dienstleister sinnvoll sein könnte.


1 Zu den gleichfalls von Rechenzentrumsbetreibern zu beachtenden Energieeffizienzvorgaben verweisen wir auf unsere hier abrufbaren Veröffentlichungen zum Energieeffizienzgesetz.