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18. April 2024Lesedauer 6 Minuten

Update: Das Wachstumschancengesetz und die Umsatzsteuer

Das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) enthält auch diverse umsatzsteuerrechtliche Aspekte. Zu dem Mitte Juli 2023 veröffentlichten Referenten-Entwurfs des Gesetzes hatten wir bereits Stellung genommen.

Das Wachstumschancengesetz wurde vom Bundestag bereits im November 2023 verabschiedet, sodann jedoch aufgrund der Anrufung durch den Bundesrat zunächst im Vermittlungsausschuss diskutiert. Schließlich wurde im Februar 2024 im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss gefunden und das Gesetz Ende März 2024 verkündet. Inhalt dieses Kompromisses und damit auch des verabschiedeten Gesetzes sind diverse Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf.

 

Key Takeaways

Das Wachstumschancengesetz baut auch im Umsatzsteuerrecht Bürokratiehindernisse ab und stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Insbesondere Kleinunternehmer profitieren von den Gesetzesänderungen im Umsatzsteuerrecht.

Vor allem aber sollten sich sämtliche Unternehmen jeder Größenordnung spätestens jetzt mit dem Thema E-Invoicing auseinandersetzen und sich darauf vorbereiten, E-Invoicing in ihr Abrechnungssystem einführen zu können oder ihre bestehenden Systeme entsprechend aufrüsten. Papier- und PDF-Rechnungen werden bei einer E-Invoicing-Pflicht ab dem 1. Januar 2025 in den meisten Fällen nicht mehr ausreichen. Mit den Übergangsregelungen versucht der Gesetzgeber den betroffenen Unternehmen hinreichend Zeit zu geben, ihre internen Systeme umzustellen. Das Wachstumschancengesetz ist somit eine gute Gelegenheit, die nächsten Monate zu nutzen und interne Prozesse zu digitalisieren und damit bürokratische Hürden innerhalb des Unternehmens abzubauen.

 

Folgende im Gesetz umgesetzte Punkte sind dabei für die Unternehmenspraxis von besonderem Interesse:
  • Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2025
  • Befreiung von Kleinunternehmern von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung sowie Umsatzsteuer-Jahreserklärungen
  • Anhebung der Gesamtumsatzschwelle für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung
  • Anhebung der Schwelle für eine mögliche Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen
  • Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland

 

Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf:
  • Vollständige Streichung der Klimaschutz-Investitionsprämie
  • Keine Einführung einer Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen
  • Keine Steuerermäßigungen in dem im Entwurf angekündigten Ausmaß
    • Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter
    • Ausweitung des Verlustrücktrags

 

Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2025

Die E-Invoicing-Pflicht ist anwendbar auf alle Rechnungen, die ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausstellt, sofern die Leistung in Deutschland steuerbar ist und beide Unternehmer in Deutschland ansässig sind.

Die Ansässigkeit wird durch den Sitz, die Geschäftsleitung oder eine Betriebstätte im Inland begründet. Liegt kein Sitz im Inland vor, so reicht ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt aus. Die Betriebstätte muss am betreffenden Umsatz beteiligt sein, damit die E-Invoicing-Pflicht greift. Ein Unternehmer, der in Deutschland zwar umsatzsteuerlich registriert, aber nicht hier ansässig ist, fällt damit nicht unter die E-Rechnungsverpflichtung.

Von dem Anwendungsbereich der E-Invoicing-Pflicht sind zudem Kleinbetragsrechnungen (Gesamtbetrag übersteigt 250 EUR nicht) sowie Rechnungen für Fahrausweise ausgenommen.

Dies E-Invoicing-Pflicht für inländische B2B-Umsätze wird nunmehr ab dem 1. Januar 2025, also weiterhin vor dem ursprünglich von der Europäischen Kommission gesetzten Zeitrahmen, eingeführt. Hierfür erhielt Deutschland im Vorgriff eine Ermächtigung. Es sind zwar grundsätzlich alle Rechnungen für inländische B2B-Umsätze zwischen inländischen Unternehmern als E-Rechnungen auszustellen. Bis zum 31. Dezember 2026 bleiben Papier- und PDF-Rechnungen im Anwendungsbereich der E-Invoicing-Pflicht für vor dem 1. Januar 2027 ausgeführte Umsätze weiterhin zulässig.

In den Jahren 2025 und 2026 haben Unternehmen die Wahl, Rechnungen auf Papier oder in anderen elektronischen Formaten zu versenden; für den Versand von Rechnungen in anderen elektronischen Formaten ist jedoch die Zustimmung des Empfängers erforderlich. Unternehmen, die mit der Einführung der vollumfänglichen elektronischen Rechnungsstellung noch zögern, müssen daher ein Verfahren einrichten, um die Zustimmung ihrer Kunden einzuholen. Unternehmen, die im Vorjahr mehr als 800.000 EUR Umsatz erzielt haben, müssen ab 2027 elektronische Rechnungen ausstellen.

Die E-Rechnung ist als eine in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellte, übermittelte und empfangene Rechnung, die eine elektronische Verarbeitung ermöglicht, definiert. Sogenannte „sonstige Rechnungen“ sind dann alle anderen Rechnungsformate wie etwa Papier- oder PDF-Rechnungen.

Zwischenzeitlich hat das BMF auch klargestellt, dass die bereits etablierten Systeme XStandard und ZUGFeRD (ab Version 2.0.1) die Anforderungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung (Richtlinie 2014/55/EU) erfüllen und somit auch im Rahmen der verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung im B2B-Bereich eingesetzt werden können.

Abschnitt 14.4 der Verwaltungsvorschriften zum Umsatzsteuergesetz (UStAE) wird nac Aussage des BMF hinsichtlich der Hybridrechnungen geändert. Sobald die elektronische Rechnungsstellung für B2B-Umsätze verpflichtend ist, wird der Teil der Rechnung, der mit dem menschlichen Auge gelesen werden kann, nicht mehr ausschlaggebend sein. Vielmehr wird der elektronisch strukturierte Teil, der erst durch Konvertierung lesbar wird, für die Beurteilung der Gültigkeit der Rechnung herangezogen.

Werden elektronische Rechnungen über eine EDI-Schnittstelle übermittelt, so ist die CEN-Norm 16931 erst ab dem 1. Januar 2028 anwendbar. Dies bedeutet, dass bei Nutzung einer EDI-Schnittstelle, Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers bis einschließlich 31. Dezember 2027 auch als sonstige Rechnungen in einem anderen elektronischen Format ausgestellt und versendet werden können.

 

Weitere Änderungen

Insbesondere Kleinunternehmer werden durch den Entwurf des Wachstumschancengesetzes entlastet. Die Neufassungen der §§18, 19 Umsatzsteuergesetz (UStG),die Kleinunternehmer betreffen, werden erstmals auf den Besteuerungszeitraum 2024 angewendet werden.

Nach § 19 UStG werden Kleinunternehmer künftig von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldung und Umsatzsteuer-Jahreserklärungen befreit. Die Befreiung gilt jedoch nur insoweit als die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung kommt, kein Fall des § 18 Abs. 4a UStG vorliegt und das Finanzamt den betroffenen Unternehmer auch nicht zur Abgabe aufgefordert hat. Auch die Möglichkeit, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten und der Widerruf desselben Verzichts ist neu geregelt worden.

Zudem ist die Gesamtumsatzschwelle nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung (Möglichkeit zur Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten) von derzeit 600.000 EUR auf 800.000 EUR angehoben worden.

Die Schwelle für eine mögliche Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen wurde von bislang 1.000 EUR auf 2.000 EUR angehoben. Dieser Schwellenwert bezieht sich auf die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr. Die betroffenen Unternehmer, die den Schwellenwert nicht überschreiten, müssen sodann lediglich eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgeben.

 

Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland

Zukünftig unterliegen Unternehmer, die weder Wohnsitz, Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland haben, einer Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland. Die Anzeige soll gegenüber dem nach der Umsatzsteuer-Zuständigkeitsverordnung zuständigen Finanzamt erfolgen. Aus unionsrechtlichen Gründen ist die Anzeigepflicht nicht anwendbar, wenn der Unternehmer in Deutschland ausschließlich steuerbare und steuerpflichtige Umsätze nach §§ 18i bis 18k UStG (nicht im Unionsgebiet erbrachte sonstige Leistungen, innergemeinschaftlicher Fernverkauf und Fernverkäufe aus dem Drittland mit einem Sachwert unter 150 EUR) und erbringt.

Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung.