Verkürzung der Gewährleistungsfristen aufgrund der Einbeziehung der VOB/B
OLG Naumburg, Urteil vom 29. Dezember 2022 – 2 U 156/21Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte Bauleistungen bei der Beklagten. Die Erläuterungen des Auftragsschreibens enthielten die Passage: „Ausführung und Abrechnung erfolgt nach VOB/B und VOB/C.“ Bei der Abnahme der Leistungen am 19.11.2014 wurde in einem aus einem Vertragshandbuch vorformulierten Abnahmeprotokolls (Formular aus dem VHB) unterhalb der Kopfzeile vermerkt: „Ausführung Beginn Februar 2014“ und „Mängelansprüche Beginn 19.11.2014 Ende 19.11.2018“. Hierdurch sollte die Gewährleistungsfrist abweichend von der gesetzlichen Frist von 5 Jahren nach § 634a Abs.1 Nr. 2 BGB auf vier Jahre verkürzt werden. Im Herbst 2018 wurden Schäden an der Bauleistung festgestellt. Der beauftragte Sachverständige entdeckte bei drei Ortsterminen Anfang 2019 Mängel. Diese zeigte die Klägerin u.a. auch gegenüber der Beklagten an und forderte die Beklagte jeweils mit Schreiben vom 02.04.2019 zur Mangelbeseitigung auf. Nach der Klagerhebung durch die Klägerin, berief sich die Beklagte auf den Eintritt der Verjährung aufgrund der Vereinbarung der Parteien.
Entscheidung des Gerichts
Wie auch das LG Magdeburg in der Vorinstanz erachtet das OLG Naumburg entgegen dem vertraglichen Übereinkommen der Parteien die gesetzliche Verjährungsfrist von 5 Jahren für einschlägig. Es besteht keine wirksame Vereinbarung über eine kürzere Gewährleistungsfrist. Auch sind die Regelungen der VOB/B nicht wirksam als allgemeine Vertragsbedingungen in den Bauvertrag einbezogen worden. Der von den Parteien im Auftragsschreiben aufgenommene Verweis auf die VOB/B und VOB/C ist dahingehend auszulegen, dass nur die einschlägigen Regelungen der VOB/B und VOB/C hinsichtlich des Aufmaßes und der Abrechnung der Leistung in den Vertrag einbezogen werden sollten. Eine allgemeine Einbeziehung der beiden Regelungen ist dagegen nicht erfolgt. Dies wird dadurch bekräftigt, dass die Klausel nicht etwa bei den Vertragsbestandteilen auf Seite 1 der Urkunde aufgeführt wird, sondern bei den „Hinweisen zur Erläuterung“ des Vertrags zu finden ist. Nach Auffassung des Gerichts sollte die Regelung aus diesem Grund nicht konstitutiv, sondern rein deklaratorisch wirken. Sollte man die Einbeziehung unabhängig von soeben aufgezeigter Argumentation zunächst bejahen, so ist jedenfalls deren Umfang nicht genau bestimmbar, sodass die Einbeziehung der Regelung in den Vertrag nach § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB unwirksam wäre.
Hinsichtlich der Eintragungen im Abnahmeprotokoll geht das Gericht davon aus, dass die Parteien keine wirksame Vereinbarung hinsichtlich der Verkürzung der Gewährleistungsfrist vereinbaren wollten. Eine ausdrückliche Vereinbarung enthält das Protokoll nicht. Soweit unterhalb der Kopfzeile Eintragungen zu Zeitabläufen vorgenommen wurden, haben sie eindeutig eine informatorische Funktion und sind nicht konstitutiver Natur. Überdies sieht das verwendete Formular aus dem VHB den Abschluss einer isolierten Vereinbarung über die Dauer der Verjährungsfrist nicht vor. Vielmehr diente der entsprechende Passus in dem Formular aus dem VHB dazu, lediglich klarstellende Angaben zur bereits abgelaufenen Bauzeit und dem von den Parteien angenommen Ende der Gewährleistungsfrist – auf Grundlage der vereinbarten Gewährleistungsfrist im Vertrag – zu machen. Für eine konstitutive Vereinbarung über eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten gesetzlichen Gewährleistungsfrist gab es keinen äußeren Anlass. Die Parteien haben sich bezüglich des Endes der Gewährleistungsfrist im Abnahmeprotokoll schlichtweg geirrt.
Konsequenzen für die Praxis
Gerade bei Kurzaufträgen ist auf eine ausdrückliche und wirksame Einbeziehung der VOB/B zu achten. Eine bloße Einbeziehung in den Hinweisen oder Erläuterungen des Auftrages ist nicht ausreichend.
Die Aufnahme des vermeintlichen Endes der Gewährleistungsfristen ist als gängige Praxis sehr oft in Abnahmeprotokollen vorzufinden. Bei Abweichungen zwischen Vertrag und Abnahmeprotokoll kommt es häufig zu Auslegungsschwierigkeiten. Das OLG Naumburg hat zu dieser Auslegungsfrage nun Stellung genommen und die bisherige Rechtsprechung des BGH zu dieser Thematik konsequent fortgeführt (so etwa BGH-Entscheidung vom 27.09.2018 (VII ZR 4517). Demnach ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien eine rechtsverbindliche Änderung des Vertrages im Abnahmeprotokoll vereinbaren wollten. Bei der Angabe von Beginn und Ende der Gewährleistungsfrist im Abnahmeprotokoll ist – insbesondere bei Verwendung von formularartigen Abnahmeprotokollen – grundsätzlich nicht davon auszugehen. Da diese regelmäßig nur Beginn und Ende der Frist gemäß Vertrag dokumentieren wollen.