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28. April 2023Lesedauer 3 Minuten

Neueste BFH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft

In seinem Urteil vom 18. Januar 2023 (XI R 29/22; vormals XI R 16/18) befasst sich der Bundesfinanzhof (BFH) infolge der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit der Eigenschaft des Organträgers als Steuerpflichtigem sowie den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft. Indes hat der BFH bezüglich der Frage der vermeintlich nicht steuerbaren Innenumsätzen in einem anderen Verfahren erneut an den EuGH vorgelegt (EuGH-Vorlage vom 26. Januar 2023, V R 20/22; vormals V R 40/19) Die vorgängigen Urteile des EuGH wurden von uns bereits in einem vorherigen Blogbeitrag kommentiert.

Auch das aktuelle Urteil des BFH vermag es lediglich Klarheit zu den deutschen Regelungen der umsatzsteuerlichen Organschaft in Bezug auf die Eigenschaft des Organträgers als Steuerpflichtigem sowie den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung im Rahmen der Organschaft zu schaffen. Durch die erneute Vorlage an den EuGH fehlt es jedoch vor allem an einer abschließenden Entscheidung in Bezug auf die nicht steuerbaren Innenumsätze.

 

Organträger ist und bleibt Steuerpflichtiger

Wie nach dem EuGH-Urteil nicht anders zu erwarten war, weicht der BFH nicht von dessen Auffassung ab, wonach der Organträger als Steuerpflichtiger angesehen werden kann. Organgesellschaften verlieren indes mit der Eingliederung in den Organkreis ihren Status als Steuerpflichtige.

 

Änderung der BFH-Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung

Der BFH gibt seine bisherige Rechtsprechung bezüglich der Tatbestandsvoraussetzungen der finanziellen Eingliederung auf. Nach deutscher Praxis lag eine solche finanziellen Eingliederung bisher nur vor, wenn der Organträger nicht nur mehr als 50% der Anteile an der Organgesellschaft hält, sondern auch eine Stimmrechtsmehrheit innehat. Auf Grundlage der EuGH-Entscheidung entschied der BFH, dass die finanzielle Eingliederung nicht zwingend einer Stimmrechtsmehrheit bedarf, es aber gleichwohl immer noch die Möglichkeit einer Willensdurchsetzung des Organträgers braucht. Ausreichend ist nach Ansicht des BFH bereits, dass der Organträger 50% der Stimmrechtsanteile innehat. Diese nunmehr niedrigere Stimmrechtshöhe muss sodann aber durch andere organisatorische Gegebenheiten ausgeglichen werden. In dem zugrundeliegenden Fall etwa stellte der Organträger den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft.

Merke also: Wie bereits in unserem vorherigen Artikel als mögliche Konsequenz der EuGH-Urteile erwähnt, hält der BFH nunmehr an seiner Auffassung zu der Notwendigkeit des Vorliegens der Stimmrechtsmehrheit nicht mehr fest. Hieraus dürfte wiederum folgen, dass Abschnitt 2.8 Abs. 5 UStAE angepasst werden muss.

 

Weiterhin große Unklarheiten in Bezug auf (vermeintlich nicht steuerbare) Innenumsätze

In seinen Urteilen hat der EuGH sich nicht eindeutig zur Steuerbarkeit der Innenumsätze geäußert, weshalb der der BFH nun erneut mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH herantritt (EuGH-Vorlage vom 26. Januar 2023, s.o.) und diesen um Stellungnahme zu diesem äußerst praxisrelevanten Thema bittet. Der BFH fragt insbesondere, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dazu führt, dass entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer fallen.

Mit seinem erneuten Vorabentscheidungsersuchen bittet der BFH also ausdrücklich um endgültige Klärung der Behandlung von Innenleistungen in einer (deutschen) Umsatzsteuerorganschaft. Die Beantwortung dieser Frage durch den EuGH wird mit großer Spannung erwartet. Sollte der EuGH tatsächlich entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der bisherigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, würde dies die deutsche Praxis der umsatzsteuerlichen Organschaft auf den Kopf stellen. Im Moment profitieren insbesondere Unternehmer, welche nicht zum vollständigen Vorsteuerabzug berechtigt sind (u.a. im Banken-, Versicherungs- und Gesundheitsbereich) von der Organschaft. Diese haben nach bisheriger Behandlung trotz vorsteuerschädlicher Ausgangsumsätze keinen Vorsteuerschaden, weil diese Eingangsumsätze innerhalb der Organschaft als nicht steuerbar angesehen werden Im Fall einer abweichenden Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage würde insbesondere in diesem Bereich ein erheblicher Beratungsaufwand entstehen.

Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail.