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Spiralhandrail P2724
8. Juli 2024Lesedauer 4 Minuten

Wachstumsinitiative der Bundesregierung: Arbeitsrechtliche Maßnahmen

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Die Bundesregierung hat im Rahmen des Haushaltsentwurfs für 2025 auch eine Wachstumsinitiative mit 49 Maßnahmen verabschiedet. In dem Maßnahmenpaket vom 5. Juli 2024 finden sich etliche Maßnahmen mit arbeitsrechtlichen Implikationen.

Die arbeitsrechtlichen Maßnahmen haben wir für Sie zusammengefasst:

Arbeitszeit, Mehrarbeit und Arbeitsunfähigkeit: „Mehrarbeit honorieren und Flexibilität ermöglichen“

  • Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, werden steuer- und beitragsfrei gestellt. Als Vollzeitarbeit gilt dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden.
  • Sofern Arbeitgeber eine Prämie für die Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten zahlen, wird die Bundesregierung diese Prämie steuerlich begünstigen.
  • Es wird eine befristete und begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit geschaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund von Tarifverträgen dies vorsehen.
  • Vertrauensarbeitszeit soll auch weiterhin zulässig sein. Hiermit ist die seit Langem angekündigte Novellierung des Arbeitszeitgesetzes im Hinblick auf die Arbeitszeiterfassung gemeint.
  • Die Bundesregierung hält fest, dass in den vergangenen Jahren ein immenses Potenzial des Arbeitsmarktes unter anderem aufgrund des erhöhten Krankenstandes der Arbeitnehmenden ungenutzt blieb. Aus diesem Grund wird sie die während der Corona-Pandemie geltenden Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung durch Arztpraxen überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Befristungsrecht, Sozialversicherungsrecht: „Arbeitsmöglichkeiten und Anreize zur Beschäftigung Älterer ausweiten

  • Die Weiterbeschäftigung im Rentenalter wird modernisiert. Der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze, die in vielen Arbeitsverträgen enthalten ist, soll durch eine Ausnahme des Vorbeschäftigungsverbots für diese Gruppe begegnet werden. Das Vorbeschäftigungsverbot (§ 14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz) ist die Unzulässigkeit der sachgrundlosen Befristung, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Vorbeschäftigungsverbot soll nicht gelten, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Altersrente hat und die sachgrundlose Befristung die Gesamtdauer von acht Jahren oder die Anzahl von zwölf Vertragsbefristungen nicht übersteigt. Für Beamte wird die Bundesregierung eine wirkungsgleiche Regelung anstreben.
  • Die Bundesregierung wird für Personen nach Erreichen der Regelaltersgrenze den Arbeitgeberbeitrag (i) zur Arbeitslosenversicherung streichen und an den Arbeitnehmer auszahlen lassen und (ii) zur Rentenversicherung streichen und an den Arbeitnehmer auszahlen lassen, falls der Arbeitnehmer sich gegen freiwillige Beiträge in die Rentenversicherung entscheidet.

Bundestariftreuegesetz: „Vergaberecht vereinfachen und Tariftreue stärken

Mit dem Bundestariftreuegesetz werden Tarifverträge zur Bedingung bei Ausschreibungen gemacht.

Überarbeitung der betrieblichen Altersvorsorge: „Private Altersvorsorge attraktiver gestalten“

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) soll überarbeitet werden, sodass künftig mehr Unternehmen eine bAV anbieten und insbesondere Beschäftigte mit geringen Einkommen gefördert werden.

Aufgelockerter Kündigungsschutz für Risikoträger: „Rahmenbedingungen für Spitzenverdiener im Finanzsektor flexibilisieren

  • Die gegenwärtigen Regelungen zum Kündigungsschutz für Risikoträger in systemrelevanten Banken soll auch auf nicht-systemrelevante Banken, Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalanlagegesellschafen ausgeweitet werden.
  • Mit diesen Regelungen ist § 25 Abs. 5a Kreditwesengesetz gemeint; hiernach findet § 9 Abs. 1 S. 2 Kündigungsschutzgesetz auf Risikoträger bedeutender Institute ab einer bestimmten Einkommensgrenze mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

Datenschutzbeauftragter ab 50 Mitarbeitenden: „Anwendung datenschutzrechtlicher Anforderungen reduzieren

Die Schwelle, ab der Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen, wird von derzeit 20 Mitarbeitenden auf 50 Mitarbeitende erhöht.

Arbeitsaufnahme für Ausländer: „Arbeitsaufnahme in Deutschland steuerlich begünstigen und Hürden bei der Arbeitsaufnahme Geflüchteter abbauen

  • Es werden steuerliche Anreize für die Arbeitsaufnahme in Deutschland geschaffen. Neu zugewanderte Fachkräfte können in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen. Für diese Freistellung wird eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definiert.
  • Bei der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde vor Ort wird eine Genehmigungsfiktion eingeführt. Das bedeutet, dass die Erlaubnis als erteilt gilt, wenn die Ausländerbehörde nach Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit dem Antragsteller innerhalb von zwei Wochen nichts Abweichendes mitteilt.

Fazit und Ausblick

In der Gesamtschau sind die Initiativen begrüßenswert, jedoch teilweise zu vage, um konkrete Auswirkungen zu prognostizieren. Etwa die Zusage, Vertrauensarbeitszeit auch zukünftig zu erlauben, bleibt leider hinter den Erwartungen auf konkrete Ankündigungen zur Novellierung des Arbeitszeitgesetzes zurück. Die Wachstumsinitiative lässt zudem Einzelheiten zum Bundestariftreuegesetz vermissen; für das für Januar 2024 angekündigte Gesetz liegt derzeit lediglich eine Arbeitsfassung aus Mai 2023 vor.

Die Bundesregierung kündigte an, die in dem Paket enthaltenen Maßnahmen nun schnell umzusetzen. Nach Möglichkeit sollen die Regelungsvorschläge für die gesetzlichen Änderungen zeitnah, sogar zeitlich mit dem Haushaltsgesetz, beschlossen werden. Der Kabinettsbeschluss für den Haushaltsentwurf soll bereits am 17. Juli 2024 erfolgen. Wann genau die oben genannten Maßnahmen im Einzelnen umgesetzt werden, kann derzeit nicht bestimmt werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden.