Vorzutragende Indizien für Ersatzansprüche bei Diskriminierung
Diskriminierungen im Arbeitsverhältnis sind in der Regel schwer nachzuweisen; es kommt auf die Motive der diskriminierenden Person an, die den Betroffenen meistens nicht bekannt sind. Deshalb sieht § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Beweiserleichterung vor. Betroffene müssen zunächst lediglich Indizien vortragen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Gelingt dies, obliegt es der Gegenseite zu beweisen, dass keine Diskriminierung vorgelegen hat. Mit den Anforderungen an die vorzutragenden Indizien hat sich jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln befasst (Urteil vom 29. Mai 2024, 6 Sa 275/23).
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin befristet beschäftigt und hatte zahlreiche Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen. Nach Abmahnungen und einer unwirksamen fristlosen Kündigung durch die Arbeitgeberin wurde sein befristeter Vertrag nicht verlängert. Daraufhin machte er geltend, aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden zu sein. Er klagte auf Entschädigung und führte als Indizien für eine Diskriminierung eine Vielzahl aus seiner Sicht nachteiliger Behandlungen sowie den Umstand auf, dass bei der Arbeitgeberin ausschließlich Frauen in Entscheidungspositionen vertreten seien.
Entscheidung des LAG Köln
Das LAG Köln entschied, dass es für die Anwendung der Beweiserleichterung nach § 22 AGG nicht ausreiche, dass eine nachteilige Behandlung und ein Diskriminierungsmerkmal gleichzeitig auftreten. Vielmehr müssten Betroffene Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Diskriminierungsmerkmal hindeuten. Andernfalls wäre es stets möglich, Arbeitgebern vorzuwerfen, sie hätten Weisungen und andere Entscheidungen gerade wegen des Vorliegens eines Diskriminierungsmerkmals des Arbeitnehmers getroffen. Arbeitgeber müssten dann ihrerseits widerlegen, dass das Merkmal für die Entscheidung (mit-)bestimmend gewesen sei, was äußerst schwierig bis unmöglich sei.
Außerdem reiche es nicht aus, dass die Personen, die eine angeblich nachteilige Entscheidung getroffen hätten, das gleiche Merkmal tragen wie die benachteiligte Person, nur mit „umgekehrtem Vorzeichen“ (die betroffene Person ist jung, alle Entscheidungstragenden sind alt). Wie das Gericht zutreffend feststellte, sind die Auswahlkommissionen bei Bewerbungsverfahren häufig mit Mitgliedern besetzt, die älter seien als die sich bewerbenden Berufsanfänger; das allein könne aber keineswegs für die Annahme einer Altersdiskriminierung bei Nichteinstellung genügen. Auch das bloße Anhäufen einer Vielzahl an sich als Indiz im Sinne des § 22 AGG ungeeigneter Tatsachen diene nicht als Indiz für eine Diskriminierung.
Praxishinweis
Die Entscheidung des LAG Köln stärkt die Arbeitgeberposition, indem sie klarstellt, dass das bloße Zusammentreffen einer nachteiligen Behandlung mit dem Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals nicht ausreicht, um die Beweiserleichterung des § 22 AGG auszulösen.
Angesichts der großzügigen Anwendung des § 22 AGG durch das Bundesarbeitsgericht, das in einem Urteil aus dem Jahr 2023 die bloße Vermutung eines Verfahrensverstoßes zulasten eines schwerbehinderten Bewerbers als ausreichendes Indiz angesehen hat (8 AZR 136/22), sollten Arbeitgeber dennoch weiterhin besondere Sorgfalt walten lassen. Die Entscheidung des LAG Köln entbindet sie nicht von der Notwendigkeit, ihre Entscheidungsgrundlagen sorgfältig zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere bei Einstellungen und Beendigungen von Arbeitsverhältnissen sowie bei Verfahrens- und Förderpflichten nach dem SGB IX.