Vertragliches und nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Wann endet die arbeitnehmerseitige Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung?
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Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses sind Arbeitnehmer1 gesetzlich zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet; mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet diese Pflicht. Wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart ist, darf der Arbeitnehmer schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich hierbei nur, wenn der ehemalige Arbeitnehmer unlautere geschäftliche Handlungen vorgenommen hat und diesbezüglich eine Wiederholungsgefahr besteht. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) am 27. Juni 2023 (Az. 2 Sa 17/23).
Der Fall
Die klagende Arbeitgeberin betreibt eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Die beiden beklagten Arbeitnehmer waren bei der Arbeitgeberin als Einrichtungsleiter beschäftigt. Nachdem sich das Verhältnis der Arbeitgeberin und der beklagten Arbeitnehmer verschlechterte, schlossen die beklagten Arbeitnehmer einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer eigenen Betreuungseinrichtung und kündigten daraufhin ihr Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin. Zeitgleich kündigten 13 weitere Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin. 73 Betreuungsverhältnisse von Klienten der Arbeitgeberin wurden durch Schreiben der Anwälte der beklagten Arbeitnehmer gekündigt und wechselten einheitlich zur neuen Betreuungseinrichtung der Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin reichte daraufhin Klage ein und machte u.a. die Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht geltend.
Die Entscheidung
Das LAG wies die Klage der Arbeitgeberin ab.
Während des Arbeitsverhältnisses sind Arbeitnehmer gesetzlich zur Wettbewerbsenthaltung verpflichtet und dürfen nicht zu ihrem Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Der klagenden Arbeitgeberin ist es nicht gelungen, darzulegen, dass die beklagten Arbeitnehmer während des Bestandes ihres Arbeitsverhältnisses wettbewerbswidrig und planmäßig Mitarbeiter und Klienten der Arbeitgeberin abgeworben haben.
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses der beklagten Arbeitnehmer endete die Pflicht der beklagten Arbeitnehmer zur Wettbewerbsenthaltung. Da ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit den beklagten Arbeitnehmern nicht vereinbart wurde, konnten die beklagten Arbeitnehmer zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin in Wettbewerb treten. Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer hierbei ihr im Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einsetzen und auch in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen.
Ein Anspruch auf Unterlassung von Wettbewerb hätte daher lediglich nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb erfolgen können. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass unlautere Mittel eingesetzt werden (z.B. ein veranlasster Vertragsbruch). Dass die beklagten Arbeitnehmer jedoch unlautere geschäftliche Handlungen vorgenommen haben und diesbezüglich Wiederholungsgefahr besteht, konnte das LAG nicht feststellen. Das Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten sei als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt.
Praxishinweis
Mit seiner Entscheidung hat das LAG die bisherige Rechtsprechung bestätigt: Während des Arbeitsverhältnisses besteht eine gesetzliche Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung. Diese Pflicht endet mit Ende des Arbeitsverhältnisses, wobei Arbeitnehmer Vorbereitungshandlungen auch schon während des Arbeitsverhältnisses treffen können.
Die Entscheidung des LAG zeigt einmal mehr, dass Arbeitgeber – ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarungen – ehemalige Mitarbeiter nicht effektiv von zulässigem Abwerben abhalten können. Wollen sich Arbeitgeber umfassend auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vor Wettbewerbshandlungen schützen, bedarf es der Vereinbarung nachvertraglicher Abwerbe- und Wettbewerbsverbote.
Gerade bei Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern, die besondere betriebliche Kenntnisse oder enge Kundenbeziehungen haben, sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote essenziell.
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unterliegt nach deutschem Recht strengen rechtlichen Anforderungen. So ist etwa notwendig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Zahlung einer Karenzentschädigung vorsehen, die für die Dauer des Wettbewerbsverbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen monatlichen vertragsgemäßen Vergütung des Arbeitnehmers beträgt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist zudem auf maximal zwei Jahre zu befristen. In der Praxis sollten Arbeitgeber sorgfältig prüfen, ob im Einzelfall ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung der finanziellen Belastung notwendig und wie dieses zwecks rechtlicher Durchsetzbarkeit konkret zu gestalten ist. Als Alternativen kommen entschädigungslose nachvertragliche Abwerbeverbote oder verlängerte Kündigungsfristen in Betracht.
1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten erfasst.