Spannungsfelder im Rahmen der Einführung von Diversity Policies
Diversitätsförderung stellt auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt und im bestehenden Wettbewerb einen strategischen Schritt dar, der Unternehmen und Beschäftigten gleichsam Vorteile bieten kann. Diversität schafft insbesondere eine inklusive Unternehmenskultur, begünstigt die Erschließung neuer Märkte, steigert die Attraktivität und schafft neue Perspektiven innerhalb des Unternehmens. Dabei ist sowohl eine allgemeine Diversity Policy denkbar, die viele verschiedene Aspekte von Diversity adressiert, als auch Policies, die konkrete Themen herausgreifen.
Pflicht zur Einführung einer Diversity Policy?
Eine Pflicht zur Einführung einer Diversity Policy besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme gilt im Bankensektor. Für Finanzinstitute ist eine Diversity Policy zwingender Bestandteil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation. Börsennotierte Aktiengesellschaften, die nach § 267 Abs. 3 HGB als große Kapitalgesellschaften zu qualifizieren sind und börsennotierte große Kommanditgesellschaften auf Aktien, sind nach § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB verpflichtet, eine Beschreibung ihres Diversitätskonzepts in ihre Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen.
Diskriminierungsfreie Diversity Policy
Führen Unternehmen Diversity Policies ein, müssen sie darauf achten, dass die Regelungen der Diversity Policy selbst diskriminierungsfrei sind. Diversity Policies dienen zwar insbesondere der Förderung und dem Schutz von Diversity, allerdings können Maßnahmen zugunsten einzelner Personengruppen eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung anderer Personengruppen darstellen. So können beispielsweise Quotenregelungen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, wenn sie nicht als positive Maßnahme gemäß § 5 AGG als zulässig anzusehen sind. Positive Maßnahmen müssen geeignet und angemessen sein, um bestehende Nachteile auszugleichen. Ob diese Voraussetzungen hinsichtlich einzelner Maßnahmen erfüllt werden, muss stets im Einzelfall geprüft werden. Bei Verstößen gegen das AGG droht dem Arbeitgeber die Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen Betroffener.
Anwendbarkeit des Hinweisgeberschutzgesetzes / Beschwerdestelle
Verstoßen Beschäftigte gegen Regelungen einer Diversity Policy, ist eine Differenzierung erforderlich. Verstößt die Zuwiderhandlung zugleich gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kann der Betroffene selbst eine Beschwerde an die Beschwerdestellen nach §§ 84, 85 AGG richten.
Ob daneben auch das Hinweisgeberschutzgesetz Anwendung findet, hängt regelmäßig davon ab, ob die Zuwiderhandlung straf- oder bußgeldbewehrt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG). Denkbar wäre beispielsweise strafrechtlich relevantes Verhalten, wie zum Beispiel Beleidigungen. Ein Verstoß gegen das AGG allein führt für sich gesehen nicht automatisch zur Anwendbarkeit des HinSchG, da das AGG keine straf- oder bußgeldbewährten Sanktionen vorsieht. Sofern das Hinweisgeberschutzgesetz allerdings Anwendung findet, können auch Dritte Zuwiderhandlungen melden, beispielsweise andere Beschäftigte, die nicht selbst Betroffene sind. Unter dem AGG ist die Möglichkeit der Meldung für Dritte nicht vorgesehen.
Mitbestimmung des Betriebsrates
Im Zusammenhang mit der Implementierung von Diversity Policies sind zudem etwaig bestehende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu berücksichtigen. Abhängig vom Inhalt der Policy kommen unterschiedliche Mitbestimmungsrechte in Betracht, beispielsweise die Mitbestimmung hinsichtlich Regelungen zur Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Mitarbeitenden im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Hinsichtlich Fragen der Arbeitsgestaltung bestünde eine Mitbestimmung nach § 90 BetrVG und sollte die Diversity-Policy Schulungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen beinhalten, könnte dies zudem gemäß § 98 BetrVG mitbestimmt sein. Wird die Umsetzung von Maßnahmen zudem IT-gestützt nachverfolgt, kann dies eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen. Sollte die Diversity Policy zudem Einfluss auf personelle Maßnahmen haben, kommt auch eine Mitbestimmung nach § 99 BetrVG in Betracht. Die Prüfung etwaiger Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates muss daher immer einzelfallbezogen anhand der beabsichtigten Inhalte der jeweiligen Diversity Policy erfolgen.
Praxishinweise
Diversity Policies tragen zur Stärkung des Unternehmens im Markt, zur Transparenz, zum Schutz der Beschäftigten und idealerweise auch zur Akzeptanz von Diversität in Unternehmen bei. Bei der Einführung von Diversity Policies sind jedoch eine Vielzahl rechtlicher Spannungsfelder zu berücksichtigen, insbesondere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und die Vermeidung von Diskriminierungen. Eine individuelle Prüfung ist geboten, um Entschädigungs- und Schadensersatzpflichten des Unternehmens gegenüber Beschäftigten zu vermeiden.