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15. Juli 2024Lesedauer 4 Minuten

Neuregelung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern: Bundestag stimmt Gesetzesentwurf zu

Die Bundesregierung hat als Reaktion auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vorgelegt (BT-Ds. 20/9469). Dieser wurde am 28. Juni 2024 unverändert im Bundestag angenommen und dem Bundesrat weitergeleitet.

Vorgesehen sind unter anderem eine Klarstellung und Erweiterung in § 37 Abs. 4 BetrVG. Bislang ist nach ständiger Rechtsprechung der Zeitpunkt unmittelbar vor der erstmaligen Amtsübernahme der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer. Die Neufassung ermöglicht bei Vorliegen eines sachlichen Grundes eine Neubestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer. Zudem soll durch die Erweiterung des § 78 BertrVG der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem „fiktiven Beförderungsanspruch“ Rechnung getragen werden.

 

Grundsätze zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Die Mitglieder des Betriebsrats führen nach § 37 Abs. 1 BetrVG ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Das BetrVG nennt hinsichtlich der Ermittlung des Arbeitsentgelts für die Dauer der Betriebsratstätigkeit zwei Grundsätze: § 37 Abs. 4 BetrVG normiert einen Mindestvergütungsanspruch, § 78 S. 2 BetrVG sieht ein allgemeines Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot, u.a. im Hinblick auf die berufliche Entwicklung und der damit verbundenen Entgeltentwicklung, vor.

 

Gesetzentwurf lässt Fragen offen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BGH) (Urteil vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22) sorgte für große Rechtsunsicherheit bei der Anwendung der Vergütungsregelungen des BetrVG. Die Bundesregierung legte daher einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vor.

§ 37 Abs. 4 BetrVG neue Fassung:

  • § 37 Abs. 4 BetrVG soll dahingehend erweitert werden, dass hinsichtlich der Bildung der Vergleichsgruppe des Betriebsratsmitglieds mit ähnlichen Arbeitnehmern die Übernahme des Betriebsratsamts der maßgebliche Zeitpunkt sei, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliege (§ 37 Abs. 4 S. 3 BetrVG n.F.).
  • Die sachlichen Gründe werden in der Gesetzesbegründung allerdings nicht konkretisiert. Als einziges Beispiel wird der Fall benannt, dass bei einem Betriebsratsmitglied, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, die Vergleichsgruppe neu zu bestimmen sei.
  • Zudem wird in den neuen Sätzen 4 und 5 klargestellt, dass die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer treffen können. Die in einem solchen Verfahren festgelegte Vergleichsgruppe kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

§ 78 BetrVG neue Fassung:

  • Der neue Satz 3 in § 78 BetrVG soll laut der Gesetzesbegründung Kriterien vorgeben, an denen sich die benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltgewährung orientieren kann.
  • Hiermit soll der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem „fiktiven Beförderungsanspruch“ Rechnung getragen werden: Eine Begünstigung oder Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds im Hinblick auf das gezahlte Entgelt liege nicht vor, wenn der jeweilige Amtsträger bezogen auf im Betrieb konkret vorhandene Arbeitsplätze die für die Gewährung des Entgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt. Die Festlegung der hypothetischen Gehalts- und Karriereentwicklung darf nicht ermessensfehlerhaft erfolgen.
  • Während der BGH keine hypothetischen Sonderkarrieren berücksichtigen wollte, wird in der Gesetzesbegründung in Bezug auf den neuen § 78 S. 3 BetrVG ausgeführt, dass bei der Stellenbesetzung auch die durch und während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen Berücksichtigung finden sollen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant seien. Es bleibt jedoch für den Rechtsanwender offen, in welcher Form und in welchem Umfang diese bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen sein werden.

 

Praxishinweis und Ausblick

Zu begrüßen ist die Möglichkeit der Betriebsparteien, eigene betriebliche Regelungen im Hinblick auf konkrete Vergleichsgruppen und abstrakte Vergleichskriterien zu vereinbaren (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Welche Kriterien, neben denen von der Rechtsprechung bereits gefundenen, in der Zukunft einen sachlichen Grund für eine spätere Neubestimmung darstellen werden, wird in der Praxis von den Gerichten beantwortet werden müssen. Auch die Frage, wie genau Arbeitgeber die während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnissen im Einzelfall berücksichtigen dürfen (§ 78 BetrVG), wird sich erst durch die Rechtsprechung konkretisieren.

Nachdem der Ausschuss für Arbeit und Soziales dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zugestimmt hatte, verabschiedete der Bundestag am 28. Juni 2024 den Gesetzentwurf (20/9469) in unveränderter Fassung. Der Entwurf wurde an den Bundesrat weitergeleitet und in dessen Sitzung am 5. Juli 2024 beraten. Einwände gegen den Entwurf werden derzeit nicht erwartet. Wir halten Sie auf dem Laufenden.