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22. April 2024Lesedauer 4 Minuten

Betriebliche Altersversorgung

Dynamischer Verweis in Arbeitsverträgen von leitenden Angestellten erfasst keine späteren Betriebsvereinbarungen

Der pauschale Verweis im Arbeitsvertrag von leitenden Angestellten, wonach sich der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung (bAV) nach der beim Arbeitgeber geltenden Regelung bestimme, sei nicht dahingehend zu verstehen, dass damit auch eine später zustande gekommene Betriebsvereinbarung in Bezug genommen ist. Dies entschied der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in einem kürzlich veröffentlichten Revisionsurteil vom 21. November 2023 (3 AZR 250/22).

Des Weiteren hat das BAG seine ständige Rechtsprechung zu Spät- und Mindestehedauerklauseln in betrieblichen Versorgungsordnungen bestätigt. Es stellte fest, dass sowohl eine bezogen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres formulierte Spätehenklausel als auch eine mehr als ein Jahr Ehedauer fordernde Mindestehedauerklausel unwirksam ist.

 

Zugrundeliegender Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Zahlung einer betrieblichen Hinterbliebenenrente.

Der geltend gemachte Hinterbliebenenanspruch gründete auf einer im Arbeitsvertrag des verstorbenen Arbeitnehmers individualvertraglich erteilten Versorgungszusage, die wie folgt lautete: „Der Mitarbeiter hat Anspruch auf die betriebliche Altersversorgung nach der in der Versorgungsordnung der H-Betriebe gültigen Regelung.“ Der verstorbene Arbeitnehmer war leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die damals anwendbare Versorgungsordnung (VO) bestand in Form einer Gesamtzusage und sah in Bezug auf die in Streit stehende Witwenrente u.a. vor, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen werden musste und am 1. Dezember vor dessen Tod mindestens ein Jahr bestanden haben musste, damit ein Anspruch besteht.

Das Arbeitsverhältnis ging später auf eine andere Konzerngesellschaft über. Bei dieser wurde eine Betriebsvereinbarung zur bAV geschlossen, welche regelte, dass für die von der Betriebsvereinbarung erfassten Arbeitnehmer weiterhin die Bestimmungen der VO (einschließlich der Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung) Anwendung finden. Die VO wurde als Bestandteil der Betriebsvereinbarung bezeichnet und dieser als Anlage beigefügt.

Die Ehefrau des verstorbenen Arbeitnehmers machte nach dessen Tod eine Hinterbliebenenversorgung geltend. Die beklagte Arbeitgeberin verweigerte dies, weil die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen worden war und weil aufgrund der nur ca. acht Monate andauernden Ehe die vorgesehene Mindestehedauer nicht erreicht war.

 

Entscheidung des BAG zu Gunsten der Klägerin

Das BAG bejahte den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente.

Vorliegend kein dynamischer Verweis auf spätere Betriebsvereinbarung

Das Gericht führte zunächst aus, dass Grundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht die Betriebsvereinbarung, sondern die (ursprüngliche) VO sei. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Verweisungen auf die für die bAV beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Da es sich vorliegend jedoch nicht um einen gewöhnlichen Arbeitnehmer, sondern um einen leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt und dieser als solcher grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich einer Betriebsvereinbarung erfasst wird, entfaltet der vorliegende Verweis im Arbeitsvertrag diesbezüglich keine Wirkung. Denn er richtete sich ursprünglich auf eine in Form einer Gesamtzusage erteilte VO und gerade keine Betriebsvereinbarung. Dass eine solche ebenfalls Gegenstand der Bezugnahmeklausel hätte sein sollen, war nicht ausreichend klargestellt und konnte daher nicht angenommen werden.

Unwirksamkeit der Spät- und Mindestehedauerklausel

Im Weiteren stellte das BAG fest, dass sowohl die verwendete Spätehenklausel als auch die Mindestehedauerklausel unwirksam sind.

Eine Regelung, die eine Hinterbliebenenleistung für den Fall ausschließt, dass der Arbeitnehmer die Ehe mit der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen erst nach Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat (Spätehenklausel), stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen Alters iSd Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Im Rahmen von Spätehenklauseln seien festgesetzte Altersgrenzen nur dann wirksam, wenn sie an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip anknüpfen, d.h. wenn sie auf einen Zeitpunkt abstellen, zu dem typischerweise mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechnet werden könne bzw. zu dem das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet oder der Versorgungsfall eingetreten sei. Dies sei bei einer Anknüpfung an die Vollendung des 60. Lebensjahres nicht der Fall.

In Bezug auf die verwendete Mindestehedauerklausel liege gegenüber der Versorgungsberechtigten eine (unzulässige) unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB vor. Eine solche ergebe sich bereits daraus, dass in der VO eine Mindestehedauer von mehr als einem Jahr vorgesehen ist; angemessen seien hingegen nur Fristen von bis zu einem Jahr.

 

Fazit und Handlungsempfehlung für Arbeitgeber

Anhand der vorliegenden Entscheidung zeigt sich ein weiteres Mal, dass die für (normale) Arbeitnehmer geltenden arbeitsrechtlichen Grundsätze nicht ohne Weiteres auf leitende Angestellte übertragen werden können. Während nach ständiger Rechtsprechung arbeitsvertragliche Verweisungen auf die beim Arbeitgeber geltenden bAV-Bestimmungen bei Arbeitnehmern im Regelfall dynamisch auszulegen sind, ist bei leitenden Angestellten eine differenziertere Sichtweise geboten. Bei diesen ist entscheidend, auf welcher Rechtsgrundlage die in Bezug genommene Regelung beruht. Soll sichergestellt werden, dass auch solche Regelungen erfasst werden, in deren persönlichen Anwendungsbereich der leitende Angestellte an sich gar nicht fällt (z.B. Betriebsvereinbarungen), bedarf es hierfür einer ausdrücklichen Klarstellung.

Sofern bei leitenden Angestellten in Bezug auf bAV arbeitsvertragliche Verweisklauseln verwendet werden, empfiehlt es sich also, diese (sowie etwaige Vertragsmuster) auf Anpassungsbedarf zu überprüfen.

Gleiches gilt in Bezug auf Spät- und Mindestehedauerklauseln. Das BAG hat in der vorliegenden Entscheidung erneut klargestellt, welche Altersgrenzen und Fristen für die Wirksamkeit solcher Klauseln maßgeblich sind.

Das vollständige Urteil finden Sie hier.