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14. Mai 2024Lesedauer 3 Minuten

Anpassung von Zulagen bei einer Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit

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Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer1 haben einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit (§ 9 S. 1 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG)). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte in einem kürzlich veröffentlichten Urteil fest, dass die Anpassung der Vergütung den Arbeitsvertragsparteien obliegt. Können sich diese nicht einigen, gilt zumindest eine quotal dem Umfang der Erhöhung der Arbeitszeit entsprechende Erhöhung der Vergütung als vereinbart. Die rechtliche Einordnung von Zulagen ist durch (ergänzende) Vertragsauslegung zu ermitteln (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 5 AZR 168/23).

 

Rechtliche Grundlagen

Das TzBfG bezweckt die Förderung von Teilzeitarbeit und die Verhinderung einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Unter den Voraussetzungen des § 9 S. 1 TzBfG können Arbeitnehmer eine Aufstockung ihrer Arbeitszeit verlangen. Welche Folgen die Erhöhung der Arbeitszeit für die Vergütung hat, regelt § 9 TzBfG allerdings nicht.

 

Der Fall

Die Parteien stritten über die Höhe einer Zulage nach Aufstockung der Arbeitszeit der Klägerin auf Vollzeit.

Die Klägerin war in der Vergangenheit bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt und wechselte zu einem anderen Arbeitgeber. Im Jahr 2014 kehrte sie mit einer Arbeitszeit von 50 % zur Beklagten zurück. Seit Wiedereintritt bei der Beklagten erhielt sie monatlich eine – im schriftlichen Arbeitsvertrag nicht ausgewiesene – und in den Gehaltsabrechnungen als „Leistungszulage“ bezeichnete Zahlung in Höhe von 250 EUR brutto. Mündlich wurde vereinbart, dass mit dieser Zulage die Differenz zwischen der bei der Beklagten tariflichen Vergütung und dem Gehalt bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ausgeglichen werde. Ohne die Zulage war die Klägerin nicht zu einer Rückkehr bereit.

Als die Klägerin ihre Arbeitszeit auf 100 % erhöhte, bot ihr die Beklagte einen neuen, auf die Vollzeitbeschäftigung zugeschnittenen schriftlichen Arbeitsvertrag an. Dieser enthielt jedoch nicht die Erhöhung der streitgegenständlichen Zulage. Die Klägerin nahm die Vertragsänderung nicht an und beantragte die Feststellung, dass die Zulage entsprechend anzupassen sei.

 

Die Entscheidung

Das BAG entschied zugunsten der Klägerin. Es liege eine übertarifliche Zulage vor, die einen Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung darstelle. Diese sei bei Verlängerung der Arbeitszeit entsprechend zu erhöhen.

Die Anpassung der Vergütung folge nicht aus § 9 TzBfG; dort werde keine Regelung zur Erhöhung der Vergütung bei Arbeitsverlängerung getroffen. Die Folgen der Arbeitszeitverlängerung für die Vergütung überlasse der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien. Diese konnten sich vorliegend nicht auf eine entsprechende Vertragsänderung einigen. Die Anpassung der Vergütung für den erhöhten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung habe daher im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu erfolgen.

Das BAG stellte fest, dass bei Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit üblicherweise eine quotal dem Umfang der Aufstockung entsprechende Erhöhung der Vergütung vereinbart werde. Abweichungen von dieser üblichen Praxis lägen vorliegend nicht vor. Die Beklagte habe die streitgegenständliche Zulage fälschlicherweise nicht als Vergütungsbestandteil erkannt. Ihre Etikettierung als „Pauschale zu Abwerbungszwecken“ sei nicht zutreffend. Vielmehr sei aufgrund der mündlichen Verständigung beider Parteien, die Gehaltsdifferenz zu dem vorherigen Arbeitgeber mit der Zulage auszugleichen, die Zulage rechtliche als statische übertarifliche Zulage einzuordnen. Im Ergebnis sei daher bei Erhöhung der Arbeitszeit um 100 % auch die Zulage um 100 % auf monatlich 500 EUR brutto zu erhöhen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der sorgfältigen Dokumentation vertraglicher Vereinbarungen. Möchte der Arbeitgeber einem Teilzeitbeschäftigten eine Zulage gewähren, sollte er sich darüber im Klaren sein, dass diese im Regelfall bei einer Verlängerung der Arbeitszeit entsprechend zu erhöhen ist. Abweichende Vereinbarungen sind nur individualvertraglich möglich.


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet; es werden jedoch ausdrücklich alle Geschlechtsidentitäten erfasst.