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30. September 2024Lesedauer 5 Minuten

Viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) – Das Ende der Schriftform und der Anfang der Textform

Mit der Verabschiedung des BEG IV im Bundestag stehen weitreichende Änderungen der formellen Anforderungen an Gewerbemietverträge bevor – vorausgesetzt, der Bundesrat stimmt dem Gesetz noch zu.

Bisher mussten Gewerbemietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr zwingend in Schriftform gemäß §§ 550, 578, 126 Abs. 1 BGB abgeschlossen werden. Andernfalls konnte der Vertrag trotz einer längeren Festlaufzeit vorzeitig ordentlich gekündigt werden.

Auch für sorgfältige Rechtsanwender stellt es eine Herausforderung dar, im Verlauf des Abschlusses und der Durchführung eines Gewerbemietvertrags sämtliche möglichen Schriftformfehler zu vermeiden, da eine Vielzahl von Problembereichen und eine komplexe Kasuistik rund um die Schriftform existieren. Bereits kleinste Abweichungen können einen Schriftformverstoß begründen. Das führt in der Praxis häufig zu Rechtsunsicherheit – insbesondere bei langfristigen Gewerbemietverträgen, die oft mit erheblichen Investitionen verbunden sind.

 

1. Zweck des Schriftformerfordernisses

Das Schriftformerfordernis dient primär dazu, dem Erwerber einer Immobilie die Möglichkeit zu geben, sich von langfristigen Mietverträgen zu lösen, die er gemäß § 566 Abs. 1 BGB mit der Immobilie übernimmt, deren Inhalt jedoch aufgrund fehlender Schriftformkonformität nicht geprüft werden konnte.

Zudem wurde ein Verstoß gegen die Schriftform von den Parteien genutzt, um langfristige Gewerbemietverträge zu kündigen, die zwischenzeitlich nicht mehr gewünscht sind.

In der Praxis führt das Schriftformerfordernis zu einem erheblichen Formalismus, der insbesondere bei ausländischen Mandanten oft auf Unverständnis stößt.

 

 

2. Neue Rechtslage nach dem BEG IV

Am 26. September 2024 hat der Bundestag das BEG IV verabschiedet (BT-Drucksache 20/11306). Dieses Gesetz reformiert grundlegend das Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge gemäß §§ 550, 578, 126 Abs. 1 BGB und ersetzt dieses zugunsten eines Textformerfordernisses nach § 126b BGB. Zudem sieht es weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau in Deutschland vor.

Gemäß §§ 578 Abs. 1, 550 BGB n.F. gilt ein Gewerbemietvertrag mit einer Befristung von mehr als einem Jahr, der nicht in Textform vorliegt, als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann, wie bisher bei einem Schriftformverstoß, innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden. Diese Änderung findet durch die Verweisung in § 581 Abs. 2 BGB auch auf Pachtverträge Anwendung.

Die Textform gemäß § 126b BGB stellt dabei geringere Anforderungen als die Schriftform nach § 126 BGB: Es genügt eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, die den Erklärenden eindeutig erkennen lässt. Damit können mietvertragliche Erklärungen z.B. per E-Mail, als Papierdokument ohne Unterschrift oder Fax in textformkonformer Weise abgegeben werden.

 

3. Inkrafttreten des BEG IV

Das BEG IV bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. Es tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft.

 

4. Übergangsregelungen

Während des einjährigen Übergangszeitraums ab Inkrafttreten des BEG IV können Gewerbemietverträge, die vor diesem Zeitpunkt entstanden sind, aufgrund eines Schriftformmangels, der keinen Textformverstoß darstellt, noch ordentlich gekündigt werden. Werden solche bestehenden Gewerbemietverträge jedoch während des Übergangszeitraums geändert oder neue Gewerbemietverträge abgeschlossen, ist ein Verstoß gegen die Textform gemäß §§ 578 Abs. 1, 550 BGB n.F. für das Kündigungsrecht erforderlich. Nach Ablauf des Übergangszeitraums gilt diese Regelung für alle Gewerbemietverträge.

 

5. Zukünftige Mietvertragsabschlüsse und Nachträge

Um Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Gewerbemietverträgen und Immobilientransaktionen zu vermeiden, sollten, wie bisher, alle Vereinbarungen zwischen den Parteien des Gewerbemietvertrages sorgfältig dokumentiert werden. 

Jede Mitteilung im E-Mail- oder Schriftverkehr sollte deutlich machen, ob sich die Parteien noch im Verhandlungsstadium bewegen, oder ob bereits eine endgültige Einigung vorliegt. Anderenfalls könnten Unklarheiten bezüglich des vereinbarten Inhalts des Gewerbemietvertrages oder unbeabsichtigten textformkonformen Nebenabreden entstehen.

Auch die Nachweisbarkeit des Zugangs von Willenserklärungen stellt im Rahmen des BEG IV eine Herausforderung dar. Eine Willenserklärung gilt als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis davon nehmen kann (§ 130 Abs. 1 BGB). Formgebundene empfangsbedürftige Willenserklärungen müssen in der vorgeschriebenen Form erstellt und zugestellt werden. Die Beweislast hierfür trägt die Partei, die sich auf den Vertrag beruft.

Der Nachweis des Zugangs ist bei Papierdokumenten in Textform einfacher zu erbringen, da diese im Zweifel per Einwurfeinschreiben nachweisbar zugestellt werden können. Schwieriger gestaltet sich hingegen der Nachweis des Zugangs von E-Mails, da der Versand einer Empfangsbestätigung im Ermessen des Empfängers liegt.

 

6. Gewillkürte Schriftform

Um den Status Quo zu erhalten, könnten die Parteien im Rahmen einer sogenannten doppelten Schriftformklausel vereinbaren, dass der Gewerbemietvertrag und dessen Nachträge nur in Schriftform abgeschlossen werden dürfen und Änderungen des Schriftformerfordernisses ebenfalls der Schriftform bedürfen (gewillkürte Schriftform gemäß § 127 Abs. 1 BGB). Ungeachtet der Frage, ob eine solche Klausel wirksam vereinbart werden kann, hat der BGH jedenfalls festgestellt, dass eine doppelte Schriftformklausel trotzdem durch eine konkludente oder mündliche Individualvereinbarung abbedungen werden kann (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16). Daher lassen sich verbleibende Risiken durch die Vereinbarung einer gewillkürten Schriftform nicht gänzlich ausschließen.

 

7. Auswirkungen auf die Due Diligence bei Immobilientransaktionen

Im Rahmen der Due Diligence beim Immobilienankauf würde diese Neuerung theoretisch bedeuten, dass der gesamte E-Mail- und Schriftverkehr zwischen den Mietvertragsparteien geprüft werden müsste, um unerkannte Nebenabreden in Textform auszuschließen. Um den Prüfungsumfang jedoch nicht ins Unermessliche auszuweiten, könnte die Due Diligence auf die vom Verkäufer als Mietvertragsvereinbarungen identifizierten und offengelegten Abreden beschränkt werden. Zudem ist es ratsam, im Grundstückskaufvertrag eine Verkäufergarantie zu vereinbaren, dass keine nicht textformkonformen Nebenabreden bestehen und sämtliche Mietvertragsvereinbarungen offengelegt wurden.

Bei den derzeit häufigeren Ankäufen von Immobilien aus Restrukturierungsmaßnahmen, bei denen regelmäßig keine Verkäufergarantien vereinbart werden, ist es daher besonders wichtig, zu prüfen, ob nicht textformkonforme Nebenabreden bestehen.

 

8. Fazit

Das BEG IV markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung Bürokratieabbau und Modernisierung des Mietrechts. Die Einführung der Textform statt der Schriftform für Gewerbemietverträge in § 550 BGB könnte die Flexibilität und Effizienz bei Vertragsabschlüssen erheblich steigern. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich diese Änderungen in der Praxis bewähren und ob sie tatsächlich zu einer Reduzierung der Rechtsunsicherheit führen, da nicht alle bisherigen Problemstellungen gelöst und neue Fragestellungen aufgeworfen werden.

Es wird entscheidend sein, dass alle Beteiligten sich schnell an die neuen Anforderungen anpassen und geeignete Maßnahmen zur vertraglichen Dokumentation und Kommunikation ergreifen. Sofern der Bundesrat dem BEG IV zustimmt, wird sich zeigen, ob das neue Gesetz die erhofften Erleichterungen bringt oder ob weitere Anpassungen notwendig sein werden.