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29. Juli 2024Lesedauer 4 Minuten

Steuerpflichtige atmen auf: Der EuGH bestätigt die Nicht-Steuerbarkeit der Innenumsätze innerhalb einer umsatzsteuerlichen Organschaft

Mit dem voller Spannung erwarteten Urteil in der Rechtssache C-184/23 Finanzamt T II vom 11. Juli 2024 äußert sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun erneut zur umsatzsteuerlichen Organschaft und speziell zur Steuerbarkeit von Innenumsätzen. Diesem Urteil waren eine Reihe von Urteilen und Vorlagefragen auf Ebene des EuGH und des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH) vorausgegangen, welche auch von uns in vorangegangen Beiträgen kommentiert wurden (Neueste BFH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft, Latest CJEU case law on VAT groups). Nun liegt der Ball erneut beim BFH, welchem die Rolle zufällt, die Sache „zum Abschluss zu bringen“ und für endgültige Klarheit bezüglich der deutschen Regelungen der umsatzsteuerlichen Organschaft zu sorgen. Dafür hat er vom EuGH eindeutige Anweisungen mit auf den Weg bekommen.

 

Hintergrund

Die Rahmenbedingungen der sog. Mehrwertsteuergruppe werden zentral durch den EU-Gesetzgeber in Art. 11 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgegeben. In Deutschland werden diese Reglungen durch das Konstrukt der umsatzsteuerlichen Organschaft umgesetzt. Allerdings unterscheidet sich das deutsche Verständnis teilweise erheblich von den Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Aus diesem Grund war die umsatzsteuerliche Organschaft in letzter Zeit regelmäßig Gegenstand verschiedener Verfahren vor dem EuGH.

Am 01. Dezember 2022 entschied der EuGH in den Rechtssachen Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie (C-141/20) und Finanzamt T (C-269/20) zum einen, dass die deutsche Konstruktion der umsatzsteuerlichen Organschaft, welche den Organträger anstelle einer fiktiven Mehrwertsteuergruppe als Steuerpflichtigen ansieht, mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Zum anderen beschloss der EuGH, dass die deutschen Regelungen zur finanziellen Eingliederung nicht im Einklang mit dem EU-Recht stehen. Bisher lag eine solche finanzielle Eingliederung nur vor, wenn der Organträger nicht nur mehr als 50% der Anteile an der Organgesellschaft hält, sondern auch eine Stimmrechtsmehrheit innehat. Auf Grundlage der EuGH-Entscheidung urteilte der BFH, dass die finanzielle Eingliederung nun bereits dann gegeben sei, wenn die Willensdurchsetzung des Organträgers gesichert ist, so z.B., wenn bereits eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt, eine zusätzliche Stimmrechtsmehrheit ist nicht erforderlich.

Nachdem der EuGH mit Beantwortung dieser Fragen Rechtsicherheit geschaffen hatte, stellte er wiederum eine althergebrachte Rechtsfolge der umsatzsteuerlichen Organschaft in Frage. Indem der EuGH andeutete, dass auch Mitglieder einer umsatzsteuerlichen Organschaft weiterhin selbständig im Sinne der Umsatzsteuer seien können, eröffnete er nach Ansicht Vieler die Möglichkeit der Besteuerung von Innenumsätzen. Dies ergab sich insbesondere auch aus den Überlegungen der Generalanwältin Medina. Im Bewusstsein der Folgen, welche eine Steuerbarkeit von Innenumsätzen mit sich bringen würde, legte der BFH dem EuGH diese Frage erneut und explizit vor und gab dem EuGH so die Möglichkeit seine Aussagen zur Steuerbarkeit von Innenumsätzen klarzustellen. Dies war Gegenstand des am 11. Juli 2024 entschiedenen Verfahrens Finanzamt T II (C-184/23).

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt entspricht dem im Fall Finanzamt T (C-269/20, Urteil vom 01. Dezember 2022). Eine Stiftung öffentlichen Rechts (Trägerin einer Universität) erbrachte sowohl steuerpflichtige als auch nicht steuerbare Ausgangsumsätze. Diese Stiftung war zudem Organträgerin. Organgesellschaft war eine GmbH, welche Reinigungsleistungen sowohl im unternehmerischen als auch im nicht-unternehmerischen Bereich der Stiftung erbrachte. Dies warf die Frage auf, ob auch die Leistungen für den nicht-unternehmerischen Bereich der Umsatzsteuer unterliegen.

 

Urteil

In seinem Urteil vom 11. Juli 2024 stellt der EuGH nun unmissverständlich fest, dass Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht steuerbar sind. Dies gelte auch dann, wenn einer der Beteiligten Vorsteuerabzugsbeschränkungen unterliege. Dies begründet der EuGH damit, dass die Mitglieder einer Organgesellschaft einen einzigen Steuerpflichtigen bilden. Grundsätzlich kommt es somit zu keinen Änderungen bezüglich der Rechtsfolge der umsatzsteuerlichen Organschaft und es bleibt folglich bei der bisherigen Rechtlage.

 

Ausblick

Während die Verfahren im Bereich der Organschaft vor dem EuGH nun abgeschlossen sind, steht das Urteil des BFH in der Sache (V R 20/22) noch aus. Aufgrund des eindeutigen Urteils des EuGH ist indes davon auszugehen, dass auch der BFH bei der Ansicht bleibt, dass Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Es ist zu hoffen, dass der BFH sich dem Urteil des EuGH in ebenso eindeutiger Weise anschließt und für Rechtsicherheit sorgt. Insbesondere Unternehmen, welche nicht zum vollständigen Vorsteuerabzug berechtigt sind (u.a. im Banken-, Versicherungs- und Gesundheitsbereich) und somit finanziell von der umsatzsteuerlichen Organschaft profitieren, werden dann auch endgültig aufatmen können.

Eine Revolution der umsatzsteuerlichen Organschaft würde damit abgewendet. Dennoch bleibt diese ein Reizthema, welches auch in Zukunft im Fokus vieler Dispute stehen wird. Ein altes Problem bleibt: Vielfach besteht Unsicherheit, ob eine Organschaft überhaupt vorliegt oder nicht. Ein Antragsverfahren, wie es in den meisten Unionsstaaten praktiziert wird, könnte eine Lösung darstellen. Endgültig werden die Probleme der Organschaft jedoch nur auf Unionsebene durch eine stärkere Harmonisierung und einheitlichere Vorgaben im Rahmen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zu lösen sein.

Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail.