Zum Einstieg Lesezeichen hinzufügen

19. Juli 2023Lesedauer 5 Minuten

Das kommende Wachstumschancengesetz und die Umsatzsteuer

Im Rahmen des Mitte Juli 2023 veröffentlichten Referenten-Entwurfs eines „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen sowie Steuervereinfachungen und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)“ („Entwurf des Wachstumschancengesetzes“) hat das Bundesfinanzministerium („BMF“) auch diverse umsatzsteuerrechtliche Punkte aufgegriffen.

 

Folgende Punkte sind dabei für die Unternehmenspraxis von besonderem Interesse:
  • Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2026
  • Befreiung von Kleinunternehmern von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung sowie Umsatzsteuer-Jahreserklärungen
  • Anhebung der Gesamtumsatzschwelle für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung
  • Anhebung der Schwelle für eine mögliche Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen
  • Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland
 
Pflicht zur Ausstellung von E-Rechnungen ab 2026

Die Regelungen zur elektronischen Rechnungsstellung basieren weitgehend auf einem kürzlich durch das BMF vorgelegten Diskussionsentwurf zur elektronischen Rechnungsstellung ("BMF-Diskussionsentwurf"), welcher zunächst die Einführung einer E-Invoicing-Pflicht für inländische B2B-Lieferungen ab dem 1. Januar 2025 vorsah. Diesen BMF-Diskussionsentwurf haben wir in einem früheren Blog-Post besprochen.

Die E-Invoicing-Pflicht soll nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes auf alle Rechnungen, die ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausstellt, sofern die Leistung in Deutschland steuerbar ist und beide Unternehmer in Deutschland ansässig sind. Die Ansässigkeit soll durch den Sitz, die Geschäftsleitung oder eine Betriebstätte im Inland begründet werden. Die Betriebstätte müsste am betreffenden Umsatz beteiligt sein, damit die E-Invoicing-Pflicht greift. Ein Unternehmer, der in Deutschland zwar umsatzsteuerlich registriert, aber nicht hier ansässig ist, würde somit nach aktuellem Stand nicht unter die E-Rechnungsverpflichtung fallen. Von dem Anwendungsbereich der E-Invoicing-Pflicht sind zudem Kleinbetragsrechnungen (Gesamtbetrag übersteig 250 EUR nicht) sowie Rechnungen für Fahrausweise ausgenommen.

Diese E-Invoicing-Pflicht für inländische B2B-Umsätze wird nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes nunmehr ab dem 1. Januar 2026, also weiterhin vor dem von der Europäischen Kommission gesetzten Zeitrahmen 2028, eingeführt. Nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes sind zwar grundsätzlich alle Rechnungen für inländische B2B-Umsätze zwischen inländischen Unternehmern als E-Rechnungen auszustellen. Bis zum 31. Dezember 2025 bleiben Papier- und PDF-Rechnungen im Anwendungsbereich der E-Invoicing-Pflicht weiterhin zulässig.

Neben dem geänderten Zeitrahmen beinhaltet der Entwurf des Wachstumschancengesetzes auch weitere Konkretisierungen. Insbesondere wird die E-Rechnung als eine in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellte, übermittelte und empfangene Rechnung, die eine elektronische Verarbeitung ermöglicht, definiert. Sogenannte „sonstige Rechnungen“ sind dann alle anderen Rechnungsformate wie etwa Papier- oder PDF-Rechnungen.

Werden elektronische Rechnungen über eine EDI-Schnittstelle übermittelt, so ist die CEN-Norm 16931 erst ab dem 1. Januar 2028 anwendbar. Dies bedeutet, dass bei Nutzung einer EDI-Schnittstelle, Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers bis einschließlich 31. Dezember 2027 auch als sonstige Rechnungen in einem anderen elektronischen Format ausgestellt und versendet werden können.

 

Weitere Änderungen

Insbesondere Kleinunternehmer werden durch den Entwurf des Wachstumschancengesetzes entlastet. Die nachfolgend beschriebenen Gesetzesänderungen sollen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Die Neufassungen der §§18, 19 Umsatzsteuergesetz („UStG“) sollen aber bereits für den Besteuerungszeitraum 2023 angewendet werden.

Nach § 19 UStG werden Kleinunternehmer künftig von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldung und Umsatzsteuer-Jahreserklärungen befreit. Die Befreiung gilt jedoch nur insoweit als die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung kommt, kein Fall des § 18 Abs. 4a UStG vorliegt und das Finanzamt den betroffenen Unternehmer auch nicht zur Abgabe aufgefordert hat. Auch die Möglichkeit, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten und der Widerruf desselben Verzichts werden neu geregelt.

Zudem soll die Gesamtumsatzschwelle nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG für die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung (Möglichkeit zur Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten) von derzeit 600.000 EUR auf 800.000 EUR angehoben werden.

Die Schwelle für eine mögliche Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen soll von bislang 1.000 EUR auf 2.000 EUR angehoben werden. Dieser Schwellenwert bezieht sich auf die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr. Die betroffenen Unternehmer müssen sodann lediglich eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgeben.

 

Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland

Zukünftig sollen Unternehmer, die weder Wohnsitz, Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland haben, einer Anzeigepflicht für die Aufnahme einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit in Deutschland unterliegen. Die Anzeige soll gegenüber dem nach der Umsatzsteuer-Zuständigkeitsverordnung zuständigen Finanzamt erfolgen. Aus unionsrechtlichen Gründen ist die Anzeigepflicht nicht anwendbar, wenn der Unternehmer in Deutschland ausschließlich steuerbare und steuerpflichtige Umsätze nach §§ 18i bis 18k UStG (nicht im Unionsgebiet erbrachte sonstige Leistungen, innergemeinschaftlicher Fernverkauf und Fernverkäufe aus dem Drittland mit einem Sachwert unter 150 EUR) und erbringt.

 

Key Takeaways

Der Entwurf des Wachstumschancengesetzes baut auch im Umsatzsteuerrecht Bürokratiehindernisse ab und stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Insbesondere Kleinunternehmer profitieren von den Gesetzesänderungen im Umsatzsteuerrecht.

Vor allem aber sollten sich sämtliche Unternehmen jeder Größenordnung spätestens jetzt mit dem Thema E-Invoicing auseinandersetzen und sich darauf vorbereiten, E-Invoicing in ihr Abrechnungssystem einführen zu können oder ihre bestehenden Systeme entsprechend aufrüsten. Papier- und PDF-Rechnungen werden bei einer E-Invoicing-Pflicht ab dem 1. Januar 2026 nicht mehr ausreichen.

Zwar muss der Entwurf des Wachstumschancengesetzes noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, aber die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung wird trotzdem eher früher als später kommen. Generell ist damit auch der Entwurf des Wachstumschancengesetzes eine gute Gelegenheit, interne Prozesse zu digitalisieren und damit bürokratische Hürden innerhalb des Unternehmens abzubauen.

Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail.